Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
blieb auf diesem Weg vor allem das Postulat der Forschungsfreiheit übrig. Die innere und äußere Freiheit des Forschers in der Definitionseines Untersuchungsgegenstandes und in der Wahl des Forschungsweges wie auch im Recht zur Veröffentlichung seiner Untersuchungsergebnisse ist im Grundsatz als forschungsethisches Prinzip weithin anerkannt. In der Bundesrepublik Deutschland ist es aus guten Gründen seit 1949 mit Verfassungsrang ausgestattet. Nach dem Missbrauch von Forschung während des nationalsozialistischen Regimes war dies eine Weichenstellung von großer Tragweite.
Mit den beiden Wertentscheidungen der Objektivität und der Forschungsfreiheit ist jedoch die Suche nach Kriterien der Wissenschaftsethik keineswegs abgeschlossen, denn als selbstverständlich gelten diese beiden forschungsethischen Prinzipien nur für prozesshaft verfahrende Forschungen, bei denen sich das Ergebnis im Forschungsvollzug herausstellt und nicht im voraus geplant wird. Heute dagegen erweitert sich gerade derjenige Bereich der Forschung, der nicht prozesshaft, sondern resultathaft ausgerichtet ist (vgl. Huber, Wissenschaft 2006: 172ff.).
Am Resultat orientierte Forschung
In dieser Art von Forschung soll für ein vorweg definiertes Resultat durch Entdeckung und Experiment der günstigste Weg gefunden werden. Wissenschaft ist nicht mehr generell dem Ziel der Wahrheitserkenntnis verpflichtet, sondern an bestimmten Zwecken orientiert. Forschungen dieser Art sind in aller Regel in einen dichten internationalen Wettbewerb eingebunden. Die Resultat- und Konkurrenzorientierung der Forschung droht in solchen Fällen die Maßstäbe zweckfreier Objektivität sowie der inneren und äußeren Forschungsfreiheit zu überlagern.
Der Siegeszug dieser resultathaft verfahrenden Forschung ist beeindruckend. Die Informationstechnologien und die Lebenswissenschaften sind dafür kennzeichnend. Die Nanotechnologie tritt ihnen selbstbewusst zur Seite. In das subjektive Lebensgefühl wie in die Struktur der Gesellschaft greifen besonders die Entwicklungen in den Lebenswissenschaften und speziell in der Medizin tief ein, wie die rasche Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung und der Alterswandel der Gesellschaft zeigen. Der wissenschaftliche Fortschritt hat die Lebensverhältnisse in einem Umfang und in einem Tempo verändert, die niemand vorausgesagt hat. Dieser Wandel wird sich auch in Zukunft fortsetzen.
Unbewältigt ist die Ambivalenz dieser Veränderungen. Daraus erklärt sich der neue Ruf nach einer Ethik der Forschung, insbesondere nach einer ethischen Bewertung der Entwicklungen in den Lebenswissenschaften. Deren Fortschritte werden von massiver Wissenschaftsskepsis begleitet. Sie richtet sich auf die Folgen, die mit solchen Resultaten verbunden sind oder sein können. Eindeutigkeit über diese Folgen gewinnt man oft erst dann, wenn sie gar nicht mehr beeinflusst werden können.
Bei solchen Überlegungen bildet der philosophische Vorstoß von Hans Jonas aus dem Jahr 1979 einen wichtigen Bezugspunkt. Jonas hat die Verantwortung, die er als leitendes Prinzip nicht nur der Wissenschaft selbst, sondern allen Handelns im wissenschaftlich-technischen Zeitalter betrachtete, konsequent als Folgenverantwortung konzipiert. «Handle so, dass die Folgen deines Handelns vereinbar sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden», so hieß sein Kategorischer Imperativ, sein moralisches Credo (Jonas 1979: 36). Die weitreichenden Wirkungen wissenschaftlicher Entdeckungen und der von ihnen bestimmten technischen Innovationen lassen dieses Credo sehr plausibel erscheinen. Für eine Wissenschaft, die ihrer Verantwortung gerecht werden will, stellt sich die Aufgabe, künftige Folgen abzuschätzen und das Ergebnis in gegenwärtige Entscheidungen einzubeziehen. Nachhaltigkeit wird zu einem Prüfmaßstab nicht nur für politische Entscheidungen, sondern auch für wissenschaftlich-technische Innovationen.
Vor einer einseitigen Betonung des von Jonas formulierten Imperativs muss man aber zugleich warnen. Da die künftigen Folgen gegenwärtiger Handlungen immer nur mit einem erheblichen Maß an Unsicherheit vorausgesagt werden können, verwandelt dieses Kriterium, wenn es absolut gesetzt wird, die wissenschaftsethische Diskussion weithin in einen Streit über die Folgenabschätzung, in dem man sich wechselseitig Alarmismus beziehungsweise Verharmlosung vorwirft. Es kann durchaus auch problematisch sein, wenn man Hypothesen über die Zukunft zum
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