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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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wünscht oder sie für sich selbst erhofft. Denn Wünsche richten sich stets auf etwas, das nicht sicher ist; von Hoffnungen weiß man, dass sie enttäuscht werden können. Vorstellbar ist also nicht ein «Recht auf Gesundheit», sondern allenfalls, wie der Pakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 in seinem Artikel 12 formuliert, das «Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit». Soweit sich aus diesem Recht ein Anspruch an die Rechtsgemeinschaft ableiten lässt, bezieht sich dieser nicht auf die Gesundheit selbst, sondern auf das Vorhandensein von bestimmten Gesundheitseinrichtungen und den gerechten Zugang zu ihnen. Der Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 sagt deshalb, jeder habe «das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände». Ärztliche Versorgung sowie die nötige materielle Sicherheit bei Krankheit und Invalidität sind die Ansprüche, die durch dieses Menschenrecht gesichert werden, nicht die Gesundheit selbst. Der Ausschuss der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat dementsprechend zur Auslegung des Artikels 12 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte festgestellt, das Recht auf das für den einzelnen erreichbare Höchstmaß an Gesundheit schließe die Verfügbarkeit von quantitativ ausreichenden und qualitativ genügenden öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sowie den diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Einrichtungen ein. Der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen ist ein Recht. Gesundheit selbst dagegen ist ein Gut, also ein erstrebenswertes Ziel menschlichen Handelns. In der Organisation des Gesundheitswesens muss erkennbar werden, dass es in ihm um das hohe Gut der Gesundheit und damit um die Aufgabe geht, Schaden vom menschlichen Leben abzuwenden und dem Schutz dieses Lebens zu dienen.
    Nicht nur Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte, sondern alle Menschen sind auf dieses Gut verpflichtet. Es handelt sich nicht nur umein Prinzip des ärztlichen Ethos, sondern der allgemeinen Moral. Darin, dass die Förderung und der Schutz der Gesundheit sowie die Hilfe bei Krankheit nicht nur als eine Verpflichtung der Einzelnen, sondern als eine Solidaritätspflicht der Gemeinschaft anerkannt wurde, liegt der Durchbruch zu einem sozialstaatlichen Verständnis der Gesundheitsvorsorge. Doch dieser Übergang macht die Erinnerung an die Gesundheitsverantwortung jedes Einzelnen nicht gegenstandslos. Jeder Mensch ist dazu verpflichtet, sich selbst vor Schaden zu bewahren und seinen Nächsten nicht zu schädigen. Diese Gesundheitsverantwortung ist auch für den Zusammenhang von Gerechtigkeit und Solidarität wichtig, der das Gesundheitssystem kennzeichnet. Denn Solidarität setzt voraus, dass jeder das ihm Mögliche für sich selbst tut, damit alle gemeinsam die Kraft aufbringen können, den Einzelnen bei dem beizustehen, was sie nicht für sich selbst tun können.
    An Gesundheitsbemühungen in armen Ländern lässt sich diese Einsicht exemplarisch verdeutlichen. Im Anschluss an die Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung der WHO hat sich in ihnen ein internationales Netz von
health promoting schools
entwickelt. Schulische Gesundheitsförderung umfasst dabei nicht nur die Vermittlung von Kenntnissen über gesundheitsfördernde und gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen. Es geht um das Einüben einer ethischen Haltung, die zu Konsequenzen aus solchen Kenntnissen befähigt. Ein vorrangiges Bildungsziel besteht in der Verantwortung jedes Einzelnen für die eigene Gesundheit. Nicht nur für Entwicklungsländer ist das eine wichtige Aufgabe von Bildung.
    Der innere Zusammenhang von Solidarität und Gerechtigkeit zeigt seine praktische Bedeutung vor allem darin, dass der Zugang zum Gesundheitssystem nicht von Einkommenssituation oder Herkunft, Alter oder Geschlecht abhängen darf. Die gesamte Bevölkerung muss vielmehr Zugang zu zureichenden Gesundheitsleistungen haben. Kostengünstige Methoden in Diagnose und Therapie sind dafür ebenso notwendig wie ein

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