Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
Ishmael?«
    »Es gibt keine Spuren.«
    »Es gibt keine Spuren«, wiederholte nach längerem Schweigen Adam Stoughton. »Wo also sollen wir langreiten? Wohin, Reverend? Constable? Und du, Ishmael? Deine indianische Meinung wird hier nicht gehört und zählt bei ihnen nicht. Aber ich, zum Kuckuck, würde sie trotzdem gern erfahren.«
    Der Indianer schaute ihn an, und sein Gesicht war wie das Antlitz einer aus Holz geschnitzten Puppe.
    »Wohin«, wiederholte der Zimmermann, ohne den Spott zu verhehlen, »sollen wir uns wenden?«
    »Dorthin, wo die Äxte sind.« Ishmael Sassamons Gesicht war noch immer ausdruckslos. »Man hört Äxte. Hier in der Nähe werden Bäume gefällt.«
    Die Abteilung war ohne Kommentar im Sattel, sogar ohne Befehl. Ishmael lief voran, die anderen folgten, soschnell der Wald es erlaubte. Es führten Abiram Thorpe, der schon seine Muskete bereit machte, und Constable Corwin. Jason Rivet ritt als Letzter. Man hatte ihn schon gelehrt, wo sein Platz war.
    »Ich frage mich«, murmelte der vor ihm reitende Adam Stoughton, »wer wohl hier wohnt, mitten im Urwald. Ich habe kaum von Siedlungen westlich von Worcester und der Penacook Plantation gehört.«
    William Hopwood antwortete nicht; er war damit beschäftigt, den Zustand der Pulverpfannen von Pistole und Donnerbüchse zu überprüfen. Jason Rivet wusste, dass der Onkel mit Pistole und Büchse umzugehen verstand. Alle wussten das. Das war übrigens der einzige Grund gewesen, den Onkel auf die Verfolgungsjagd mitzunehmen. William Hopwood erfreute sich   – wenn man das so nennen konnte   – des Rufes, ein Mörder zu sein. Alle wussten, dass er in jungen Jahren in den Wäldern auf Penobscot, Pequot und Nauset Jagd gemacht, Seneca und Mohawk überfallen hatte und eine Sammlung von Skalpen besaß. Das behaupteten Leute, die ihm nicht wohlwollten, größtenteils Frauen.
    Reverend Maddox, vom Knirschen des Radschlosses aufgeschreckt, drehte sich im Sattel um. Er kannte die landläufige Meinung über den Onkel ebenfalls. Er bemerkte auch, dass sich William Hopwood aus einem schlaffen, apathischen Griesgram, dem alles egal war, plötzlich in ein Raubtier mit flammenden Augen verwandelt hatte.
    »Schießen«, warnte er mit zischender Stimme, »erst auf Befehl, Mr.   Hopwood. Auf Befehl. Nicht früher. Habt Ihr verstanden?«
    Sie ritten den Flusslauf hinan, lavierten zwischen Büscheln von Sassafras und Sumach. Bald schon drangen auch an Jasons ungeübte Ohren die widerhallendenSchläge mehrerer Äxte. Wenig später aber zeugten ein durchdringendes Krachen und ein recht nahes Rascheln und Knacken brechender Äste davon, dass die Bemühungen der Holzfäller Erfolg hatten. Und gleich darauf ritt die Abteilung aus Watertown auf den Kahlschlag. Es roch nach frischem Holz.
    Es waren sechs Holzfäller. Drei hieben die Äste von einer gefällten Kiefer ab. Zwei zogen große Stubben an den Rand der Lichtung, wobei sie geschickt ein Gespann von zwei untersetzten und struppigen Pferdchen führten. Der sechste, der am nächsten stand, sammelte Zweige ein und legte sie auf einen Stapel.
    »Fürchtet euch nicht, Leute«, rief Maddox und schlug den Umhang zurück, damit die Holzfäller die silbernen Fransen am Umlegekragen des Geistlichen sehen konnten. »Wir sind gute Christen, auf Seiten von König, Ordnung und Gesetz.«
    Die Holzfäller wirkten nicht verängstigt. Überrascht ja, aber nicht verängstigt. Obwohl sie die Muskete, die Büchse und die Pistolen sehen mussten, war auf ihren breiten Vollmondgesichtern nicht der Schatten von Furcht auszumachen. Diese breiten Gesichter   – Jason Rivet wusste schon, dass ihr sonderbares Aussehen vom Fehlen jeglichen Bartwuchses und einer geradezu außergewöhnlichen Helligkeit von Brauen und Wimpern herrührte   – drückten absolute und stumpfsinnige Gleichgültigkeit aus.
    »Wir sind Christen und Hüter des Gesetzes«, wiederholte der Reverend, während er sich im Sattel aufrichtete und den Blick über den Kahlschlag schweifen ließ. »Wir kommen aus Watertown in der Grafschaft Middlesex. Wir verfolgen eine aus dem Gefängnis entflohene Verbrecherin, die von einem ordentlichen Gericht der Kolonie der Massachusetts-Bucht verurteilt wurde.«
    »Die Verbrecherin«, fügte Constable Corwin hinzu, »ist eine junge Frau mit hellen Haaren. Habt ihr so eine gesehen?«
    Die Holzfäller betrachteten ihn, als sei er Luft. Als verstünden sie die Worte überhaupt nicht. Als hätten sie sie nicht einmal gehört. Der am nächsten

Weitere Kostenlose Bücher