Etwas Endet, Etwas Beginnt
freiwillig zu der Verfolgung gemeldet, niemand hat Euch gezwungen. Ich wundere mich daher über Eure Worte, Mr. Stoughton, und über die plötzliche Unlust. Ihr scheint das Ziel zu vergessen, das uns winkt. Gesetz und Gerechtigkeit …«
»Gesetz!«, unterbrach ihn schnaubend der ZimmermannStoughton. Bei der ganzen Gesellschaft – Jason Rivet hatte das längst festgestellt – war er der Einzige, der dem Reverend ungeniert ins Wort zu fallen pflegte. »Mit dem Gesetz können wir die Pferde nicht füttern, zum Teufel!«
»Hüte dich«, knurrte Henry Corwin. »Hüte dich, den Teufel zu rufen, Adam Stoughton. Denn er kommt, wenn man ihn ruft.«
Der Zimmermann blickte erschrocken um sich, schaute auf das Häufchen frischer Erde, das das vom Baume genommene Gerippe bedeckte. Doch gleich hob er wieder stolz den Kopf. »Was Eure Gerechtigkeit angeht«, fuhr er fort und schaute den Pastor an, »so bin ich mir sicher und versichere Euch, dass dieser auch ohne uns alsbald Genüge getan sein wird. Das Pferd des Mädchens ist gleich nach dem Penacook gestürzt, sie hat es zuschanden geritten, ihr habt ja das Luder gesehen. Und die Dirne lahmt; wenn sie zu Fuß durch den Urwald geht, hat sie keine Chance. Gerechtigkeit werden ihr Kälte und Hunger zumessen, als Henker wird ein Bär, ein Wolf oder eine Rothaut dienen. Von ihr wird so viel bleiben wie von dem hier. Ein paar weiße Knöchelchen, sauber abgenagt. Wir können also heimkehren und reinen Gewissens der ganzen Grafschaft sagen, dass …«
»Nein!«, fiel ihm Constable Corwin ins Wort, sofort und entschieden. »Ich kehre nicht eher zurück, als bis ich sie ergreife. Oder ihren Leichnam sehe. Ich bezweifle übrigens, dass uns Letzteres vergönnt sein wird. Vergesst nicht, mit wem wir es zu tun haben. Wenn das ein gewöhnliches Weibsbild wäre, hätten wir sie längst. Aber sie ist nicht gewöhnlich. So einer wie ihr machen Hunger oder ein wildes Tier nichts aus. Die Mühe macht ihr nichts aus, denn in ihr steckt eine teuflische Kraft! Habt ihr vergessen, wozu George Burroughs imstande war, der ausSalem? Obwohl er von mickriger Statur war, hielt er in den ausgestreckten Händen eine schwere Muskete und ein Fässchen Melasse und konnte das geschlagene drei Gebete lang tun, denn …«
»Was tut das zur Sache?«, unterbrach ihn der Zimmermann scharf. »He?«
»Dass ich«, fauchte Henry Corwin, »im Gegensatz zu gewissen anderen kein elender Feigling bin. Mir fällt beim Anblick vom erstbesten Toten nicht das Herz in die Hosen, und ich winsele nicht, dass ich nach Hause will.«
»Du hattest eben noch selber Angst vorm Teufel, Corwin.«
»Ich habe vor gar nichts Angst!«
»Ich auch nicht!«
»Ruhe, Gentlemen«, würgte John Maddox’ heisere Stimme den aufkommenden Streit ab. »Und Eintracht. Aber Gott fürchten muss man dennoch. Ich verstehe Euch so, Constable Corwin, dass Ihr dafür seid, die Verfolgung fortzusetzen?«
»Klar doch. Ich will die Dirne am Strick sehen, ich gedenke nicht, die Strafe den Wölfen oder den Rothäuten zu überlassen. Und ich bin nicht der Zimmermann, vor Gerippen habe ich keine Angst.«
»Mr. Hopwood?«
Onkel William schob mit der Zunge den Tabakpriem auf die andere Seite, spie einen Strahl bräunlichen Speichel aufs Farnkraut. Ein Weilchen schwieg er. Doch Jason Rivet zweifelte nicht daran, was er antworten würde. Und er hatte recht.
»Mir ist’s gleich. Wie Ihr befehlt, Reverend. Wenn Ihr sagt, weiterreiten, reite ich weiter. Wenn Ihr sagt, umkehren – auch gut. Ich bin da, wo Ihr seid.«
»Und ich« – der Pastor durchbohrte den Zimmermann mit Blicken – »bin dafür, die Verfolgung fortzusetzen. Soverlangt es ja das Gesetz, und so verlangt es die Heilige Schrift. Und das würde sogar dann genügen, wenn ich in der Minderheit wäre. Aber in der Minderheit seid Ihr, Mr. Stoughton.«
»Ihr zählt merkwürdig, Reverend. Und ein wenig voreilig, scheint mir.«
»Ich zähle richtig«, entgegnete der Pastor kalt. »Mr. Corwin und Mr. Hopwood teilen meine Ansicht. Also stehen drei Stimmen gegen zwei, und basta. Denn den Halbwüchsigen werden wir doch nicht um seine Meinung fragen. Erst recht nicht den Indianer. Folgen wir also weiter der Spur.«
»Es gibt keine Spuren«, sagte mit seiner kehligen Stimme Ishmael Sassamon, der wie ein Geist aus dem Unterholz auftauchte.
»Was heißt: Es gibt keine?« Abiram Thorpe runzelte die Stirn. »Wo sollen sie denn hin sein? Hast du gut nachgesehen,
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