Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
das Messer, das Ishmael in der Hand hielt, erst, als ihm die Klinge in den Bauch drang. Der Indianer riss das Messer heftig nach oben, William Hopwood schrie makaber auf, spuckte Blut. Und fiel.
    Ishmael stand auf. Jason Rivet schrie mit dünner Stimme auf, presste sich an den Boden. Der Indianer wandte den Kopf, sonderbar verkrümmt. Und erblickte ihn. Jason schrie abermals auf.
    Das gehackte Blei hatte Ishmael ein Auge ausgeschlagen, eine Wange zerschmettert, ein Ohr abgerissen, Hals und Brust in ein blutiges Gemengsel herabhängender Fetzen verwandelt. Trotzdem stand der Indianer sicher auf den Füßen. Ohne das eine Auge von Jason zu wenden, bückte er sich, packte Onkel William an den Haaren.
    Jason Rivet heulte vor Entsetzen auf. Ishmael Sassamon schüttelte den Skalp. Er verzog das zerfetzte Gesicht, wollte das Kriegsgeschrei der Wampanoag ausstoßen. Es gelang ihm nicht. Unmittelbar hinter Jasons Rücken krachte es, und der halbe Kopf des Indianers verschwand in einer roten Explosion.
    Der Pastor fiel auf die Treppe zurück, das rauchende Terzerol rutschte ihm aus den Fingern. Sein ganzer Kragen und die ganze Jacke waren schon blutdurchtränkt. Jason Rivet kroch zu ihm. In der ihn ergreifenden Furcht und Hoffnungslosigkeit sah er auf den Schwellen derHäuser, auf den Veranden die Frauen, reglos wie Statuen, wie Karyatiden. Er sah die Männer an dem langen Tisch, gleichgültig, wie sie langsam die Löffel hoben. Zauberei, dachte er fieberhaft, das ist Schwarze Magie, das sind Hexen, ich hatte doch recht, wir sind zu unserem Verderben hierhergekommen   …
    »Reverend   … Das sind   … Hexen   …«
    John Maddox begann krampfhaft zu zucken und zu husten, bespuckte Jason mit Blut. Seine Augen   – in denen bis dahin nur das Weiße gespenstisch geleuchtet hatte   – kamen plötzlich zu sich, wurden normal   – böse und feindselig. Er wird mich abkanzeln, dachte Jason, noch im Sterben wird er mich abkanzeln.
    Der Reverend krächzte. »Flieh von hier   … Junge«, kanzelte er kaum vernehmlich Jason ab. »Beweg dich schon   … Trödel nicht   …«
    Jason stand von den Knien auf. Er blickte um sich. Rieb sich das Gesicht, verschmierte darauf das Blut des Pastors. Und wandte sich zur Flucht. Zwischen die Häuser, hinter den Abort, von dem es, wie er wusste, nicht weit zum Fluss, zu Weidendickicht und Wald war.
    Er kam keine drei Schritte weit.
    Plötzlich fühlte er sich, als habe er an jedem Fuß ein Zentnergewicht und auf dem Rücken einen Mühlstein. Der festgetretene Boden verwandelte sich unerwartet in zähen Schlamm, in einen Morast, in dem der Bursche bis über die Knie versank. Und so blieb er stecken, gefangen, seiner Bewegungsfreiheit beraubt und hilflos wie ein Insekt im klebrigen Inneren einer fleischfressenden Orchidee.
    Die Angst lähmte ihn derart, dass er nicht einmal zu schreien vermochte.
    »Bravo«, hörte er die Stimme von Dorothy Sutton. »Sehr gut, Miss Patience Whitney. Ein vorzüglich ausgeführterZauber, Miss Ellen Bly. Ich lobe die jungen Damen.«
    »Ich habe ihn als Erste gefangen!«, schrie Patience Whitney, die Schwarzhaarige, und packte Jason am Ärmel. »Lass ihn in Ruhe, Ellen!«
    »Gar nicht!«, schrie Ellen Bly, die Hellhaarige, mit dünner Stimme zurück und ergriff den anderen Ärmel. »Ich habe ihn als Erste gefangen!«
    »Von wegen! Lass los!«
    »Lass selber los!«
    »Ruhe, Ruhe, meine Fräuleins«, zügelte Dorothy Sutton beide. »Zorn schadet der Schönheit. Und ihr braucht euch nicht wegen der Beute in die Haare zu kriegen, denn die Beute gehört nicht euch. Den Burschen bekommt Mrs.   Hypatia Harlow.«
    »Warum?«, schrie Patience Whitney los. »Wie kommt sie dazu?«
    »Sie hat schon einen!«, sekundierte ihr mit Piepsstimme Ellen Bly. »Sie hat schon Adrian van Rijssel! Warum sollte also Hypatia   …«
    »Weil«, schnitt ihr Dorothy Sutton das Wort ab, »Hypatia das Bedürfnis hat.«
    »Wir«, heulte Patience Whitney auf, »haben auch welches!«
    »Ihr könnt euch mit eurem Bedürfnis noch gedulden«, sagte Dorothy trocken. »Oder es auf eine Weise befriedigen, die sich für euch Rotznasen noch schickt, aber nicht für eine reife Frau. Und genug davon. Hypatia! Erlaube. Wie der soeben verstorbene Pastor Maddox sagte, indem er das Dritte Buch Mosis zitierte: ›Willst du aber leibeigene Knechte und Mägde haben, so sollst du sie kaufen von den Heiden, die um euch her sind.‹ Kaufen wir uns also welche. Nimm dir diesen jungen Mann, Hypatia. Ich schenke

Weitere Kostenlose Bücher