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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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und redete.
    »Die Zeiten sind unsicher. Unsicher. Uns geht es schlecht, gnädige Herrin. Wir halten Wollschafe, die Wolle ist zum Verkauf gedacht, aber jetzt hat’s keine Kaufleute, also schlachten wir die Herden, Wollschafe schlachten wir, um was auf dem Tisch zu haben. Früher sind die Kaufleute um Hornstein, um Grünstein in den Amell gezogen, über den Pass, dort sind die Bergwerke. Dort fördern sie den Hornstein. Und wenn die Kaufleute vorbeikamen, haben sie auch Wolle genommen, haben bezahlt, verschiedene Waren dagelassen. Jetzt hat’s keine Kaufleute mehr. Nicht einmal Salz hat’s; was wir schlachten, müssen wir in drei Tagen aufessen.«
    »Die Karawanen machen einen Bogen um euch? Warum?« Visenna berührte ab und zu nachdenklich das Stirnband.
    »Sie tun’s eben«, knurrte Topin. »Die Straße zum Amell ist zu, auf dem Pass hat sich der verdammte Knoch breitgemacht, lässt keine Menschenseele durch. Wie sollen da Kaufleute kommen? Um zu sterben?«
    Korin erstarrte, den Löffel mitten in der Luft.
    »Der Knoch? Was ist denn ein Knoch?«
    »Ja, woher soll ich das wissen? Der Knoch, heißt es, ist ein Menschenfresser. Auf dem Pass soll er sitzen.«
    »Und er lässt keine Karawanen durch?«
    Topin schaute sich in der Hütte um. »Manche schon. Seine eigenen, heißt es. Seine eigenen lässt er durch.«
    Visenna runzelte die Stirn. »Was heißt: seine eigenen?«
    »Eben seine«, murmelte Topin und wurde blass. »Die Leute vom Amell sind noch schlechter dran als wir. Wir können uns wenigstens ein bisschen vom Wald ernähren. Aber die sitzen auf dem nackten Fels und kriegen nur, was ihnen die Leute vom Knoch für den Hornstein verkaufen. Das ist übel, denn die sollen sich alle Waren teuer bezahlen lassen, aber was sollen die vom Amell machen? Den Hornstein können sie ja nicht essen.«
    »Was für ›Leute vom Knoch‹? Menschen?«
    »Menschen und Krahlinge und noch welche. Schergen sind das, Herrin. In den Amell bringen sie, was sie uns wegnehmen, tauschen es dort gegen Hornstein und Grünstein. Und uns nehmen sie’s mit Gewalt weg. In den Dörfern haben sie schon oft geraubt, Mädels vergewaltigt, und wenn einer Widerstand geleistet hat, haben sie gemordet und gebrannt. Schergen. Die vom Knoch.«
    »Wie viele sind es?«
    »Wer soll die denn zählen, gnädiger Herr. Da verteidigen sich die Dörfer, halten zusammen. Und was nützt’s, wenn sie uns nachts überfallen, Feuer legen? Da gibt man lieber gleich, was sie verlangen. Denn sie sagen   …« Topin wurde noch blasser, begann am ganzen Körper zu zittern.
    »Was sagen sie, Topin?«
    »Sie sagen, dass der Knoch, wenn er böse wird, vom Pass herunterkommt, zu uns in die Täler.«
    Visenna stand abrupt auf, ihr Gesicht hatte sich verändert. Korin lief ein Schauder über den Rücken.
    »Topin«, sagte die Zauberin. »Wo ist hier die nächste Schmiede? Mein Pferd hat unterwegs ein Eisen verloren.«
    »Ein Stück hinter dem Dorf, am Wald. Da hat’s eine Schmiede und einen Stall.«
    »Gut. Geh jetzt und frage, ob jemand krank oder verwundet ist.«
    »Habt Dank, gnädige Wohltäterin.«
    »Visenna«, sagte Korin, sobald sich die Tür hinter Topin geschlossen hatte. Die Druidin wandte sich um, schaute ihn an.
    »Bei deinem Pferd sind alle Hufeisen in Ordnung.«
    Visenna schwieg.
    »Hornstein ist offensichtlich Jaspis, und Grünstein ist Jadeit, für den die Bergwerke im Amell berühmt sind«, fuhr Korin fort. »Und zum Amell kommt man nur durch den Klamat, über den Pass. Der Weg, von dem niemand zurückkehrt. Was hat die Tote am Kreuzweg gesagt? Warum wollte sie mich umbringen?«
    Visenna antwortete nicht.
    »Du schweigst? Macht nichts. Es beginnt sich auch so alles schön zu klären. Das Weibsbild am Kreuzweg hat auf jemanden gewartet, der vor der dummen Aufschrift stehenbleibt, die es verbietet, weiter nach Osten zu gehen. Das war die erste Probe: ob der Ankömmling lesen kann. Dann vergewissert sich das Weib nochmals: Wer, wenn nicht ein guter Samariter aus dem Druidenkreis, wird heutzutage einer hungrigen Alten helfen? Jeder andere, wette ich, hätte ihr auch noch den Stock weggenommen. Das schlaue Weib forscht weiter, beginnt von armen,unglücklichen Leuten zu reden, die Hilfe brauchen. Der Reisende, statt sie mit einem Fußtritt und einem Schimpfwort zu bedenken, wie es ein gewöhnlicher, durchschnittlicher Bewohner dieser Gegend täte, lauscht gespannt. Ja, denkt das Weib, das ist er. Der Druide, der kommt, um mit der Bande aufzuräumen, die die

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