Etwas ist faul
kommen.
»Der Kaffee, den du mir serviert hast, hat mir nicht geschmeckt«, beschwerte sich Gerald. »Er war bitter.«
»Ich habe eine neue Sorte ausprobiert. Ich werde ihn nicht mehr nehmen, wenn du ihn nicht magst, Liebling.«
Alix nahm sich eine Handarbeit und begann zu sticken. Gerald las ein paar Seiten in seinem Buch, dann blickte er zur Uhr und legte es weg.
»Halb neun. Zeit, um in den Keller zu gehen und mit der Arbeit anzufangen.«
Die Handarbeit fiel Alix aus den Händen.
»Oh, noch nicht. Lass uns bis neun warten.«
»Nein, mein Kind. Halb neun. Diese Zeit habe ich mir vorgenommen. Um so früher kannst du zu Bett gehen.«
»Aber ich möchte lieber bis neun Uhr warten.«
»Du weißt, wenn ich eine Zeit festsetze, halte ich mich daran. Komm, Alix. Ich werde keine Minute länger warten.«
Alix blickte zu ihm auf, und sosehr sie sich auch dagegen wehrte, eine Welle des Entsetzens durchflutete sie. Die Maske war gefallen. Gerald zupfte an seinen Fingern. Seine Augen leuchteten vor Aufregung. Immer wieder fuhr er mit der Zunge über seine trockenen Lippen. Jetzt machte er sich nicht mehr die Mühe, seine Erregung zu verbergen.
Alix dachte: Es ist wahr. Er kann es nicht abwarten. Er benimmt sich wie ein Wahnsinniger.
Er kam auf sie zu und berührte ihre Schulter. Sie sprang auf.
»Komm, mein Schatz. Oder ich werde dich tragen.«
Seine Stimme klang fröhlich, aber eine unmissverständliche Grausamkeit schwang im Unterton mit. Mit letzter Kraft machte sie sich frei und hielt sich kauernd an der Wand fest. Sie war machtlos. Sie konnte nicht weglaufen. Sie konnte überhaupt nichts tun. Und er kam immer näher.
»Also, Alix…«
»Nein – nein!« Sie schrie. Kraftlos streckte sie ihre Hände aus, um ihn abzuhalten.
»Gerald, halt ein. Ich muss dir etwas sagen, etwas beichten!«
»Beichten?«, fragte er neugierig.
»Ja, beichten.« Sie hatte dieses Wort aufs Geratewohl gewählt. Verzweifelt redete sie weiter und versuchte, damit seine Aufmerksamkeit zu fesseln.
»Ein ehemaliger Liebhaber, nehme ich an«, sagte er höhnisch.
»Nein«, antwortete Alix. »Etwas anderes. Man nennt es – ich glaube, man nennt es ein Verbrechen.«
Sofort merkte sie, dass sie den richtigen Ton angeschlagen hatte. Instinktiv hörte er ihr zu. Als sie das fühlte, beruhigten sich ihre Nerven etwas. Noch hatte sie eine Chance. Sie ging durch das Zimmer und setzte sich wieder in ihren Sessel.
»Du solltest dich auch lieber hinsetzen«, sagte sie leise.
Sogar ihre Handarbeit hatte sie wieder aufgenommen. Aber ihre Ruhe war auch nur eine Fassade. Sie musste eine Geschichte erfinden, die ihn fesselte, bis Hilfe kam.
»Ich erzählte dir«, begann sie, »dass ich fünfzehn Jahre lang als Stenotypistin gearbeitet habe. Das ist nicht ganz die Wahrheit. Es gab zwei Unterbrechungen. Die erste passierte, als ich zweiundzwanzig Jahre alt war. Ich begegnete einem Mann, einem älteren Herrn, der ein wenig Besitz hatte. Er verliebte sich in mich und wollte mich zur Frau. Ich sagte zu, und wir heirateten.« Sie machte eine kleine Pause. – »Ich brachte ihn dazu, eine Lebensversicherung zu meinen Gunsten abzuschließen.«
Alix sah das außerordentliche Interesse im Gesicht ihres Mannes und fuhr mit neuer Sicherheit fort.
»Während des Krieges arbeitete ich in der Arzneimittelabteilung eines Krankenhauses. Ich hatte dort die Verwaltung von Medikamenten und Giften unter mir.«
Wieder unterbrach sie sich. Jetzt hatte sie ihn gepackt. Daran bestand kein Zweifel. Mörder haben Interesse an Mordgeschichten. Sie hatte damit gerechnet und Erfolg gehabt. Verstohlen blickte sie auf die Uhr. Es war fünfundzwanzig Minuten vor neun.
»Es gibt ein Gift – so ein kleines weißes Pulver. Eine Prise davon bringt den Tod. Kennst du dich vielleicht ein wenig mit Giften aus?«
Sie bebte, als sie diese Frage stellte. Wenn er mit Giften Bescheid wusste, musste sie auf der Hut sein.
»Nein«, antwortete Gerald. »Ich weiß sehr wenig davon.«
Ein Seufzer der Erleichterung kam über ihre Lippen.
»Du hast sicher schon einmal etwas von Hyoszamin gehört? Das Gift, von dem ich spreche, hat die gleiche Wirkung, nur ist es absolut unnachweisbar. Jeder Arzt würde den Totenschein auf Herzschlag ausstellen. Ich habe ein kleines Quantum davon gestohlen und aufbewahrt.«
Sie schwieg und ordnete ihre Gedanken.
»Weiter!«, befahl Gerald.
»Nein. Ich habe Angst. Ich kann es dir nicht sagen. Ein andermal.«
»Jetzt«, rief er ungehalten. »Ich will es
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