Etwas ist faul
war…
Er ist schon immer schlecht gewesen. Er hat von mir immer alles Geld bekommen, das ich nur übrig hatte. Zweimal hat er schon im Gefängnis gesessen. Er muss wohl gekommen sein, um mich zu besuchen, und als Miss Crabtree merkte, dass ich die Tür nicht öffnete, tat sie es selbst. Er war überrascht und zog eins von seinen Arbeitslosengedichten heraus, und die Herrin, immer wohltätig, ließ ihn herein und gab ihm einen Sixpence. Und die ganze Zeit lag das Bündel Geldscheine auf dem Tisch, wo es gelegen hatte, als ich mit ihr abrechnete. Und dann überwältigte der Teufel meinen Ben, und er schlich sich hinter sie und schlug sie nieder.«
»Und dann?«, fragte Sir Edward.
»Oh Sir, was konnte ich tun? Mein eigen Fleisch und Blut! Sein Vater war ein schlechter Mensch, und er gerät nach ihm – aber er ist doch mein Sohn! Ich schob ihn schnell hinaus und ging in die Küche zurück. Dann ging ich zur gewohnten Zeit hinein, um für das Abendessen zu decken. Glauben Sie, dass es sehr schlecht von mir war, Sir? Ich habe mich bemüht, Sie nicht zu belügen, als Sie mir Ihre Fragen stellten.«
Sir Edward stand auf. »Meine arme Frau«, sagte er voller Mitleid. »Sie tun mir sehr leid. Trotzdem muss das Gesetz seinen Weg gehen, das wissen Sie.«
»Er ist ins Ausland geflohen, Sir. Ich weiß nicht, wo er ist.«
»Dann mag er vielleicht eine Chance haben, dem Galgen zu entgehen. Aber bauen Sie nicht darauf. Bitten Sie jetzt Miss Magdalena herein!«
»Oh, Sir Edward, wie wundervoll ist das – wie wundervoll sind Sie!«, rief Magdalena aus, als er seinen kurzen Bericht beendet hatte. »Sie haben uns alle gerettet. Wie kann ich Ihnen jemals danken?«
Sir Edward lächelte sie an und tätschelte zart ihre Hand. Er fühlte sich großartig. Die kleine Magdalena war so reizend auf der Siluric gewesen, so entzückend in der Blüte ihrer siebzehn Jahre! Natürlich war das jetzt vorbei.
»Das nächste Mal, wenn Sie einen Freund nötig haben…«
»… komme ich sofort zu Ihnen.«
»Nein, nein«, rief Sir Edward erschrocken. »Das ist genau das, was Sie nicht tun sollen. Gehen Sie zu einem jüngeren Mann!«
Gewandt entzog er sich den Dankbarkeitsbezeugungen der Familie, ließ ein Taxi kommen und sank mit einem Seufzer der Erleichterung in die Wagenpolster.
Selbst der Charme einer taufrischen Siebzehnjährigen schien fragwürdig zu sein. Mit einer wohlsortierten Bibliothek über Kriminalistik konnte er jedenfalls nicht konkurrieren.
Das Taxi bog im Queen Annes Close ein – seiner Sackgasse.
Der Traum vom Glück
» B ill umschlang sie mit seinen muskulösen Armen und presste sie an seine Brust. Mit einem tiefen Seufzer bot sie ihm die Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss…«
Seufzend ließ Edward Robinson den Roman Sieg der Liebe sinken und starrte durch die Fensterscheibe der Untergrundbahn. Sie fuhren gerade durch Stamford Brook. Edward Robinson dachte an Bill. Das war der hundertprozentig virile Mann, wie ihn Romanschriftstellerinnen sehen. Edward beneidete ihn um seine Muskeln, sein männliches Äußeres und seine fantastische Leidenschaftlichkeit. Er nahm das Buch wieder auf und las noch einmal die Beschreibung der stolzen Marchesa Bianca (derjenigen, die ihre Lippen dargeboten hatte). Ihre Schönheit war so hinreißend, ihr Zauber so berauschend, dass starke Männer von Liebe übermannt vor ihr hinsanken wie Kegel auf einer Kegelbahn.
Natürlich, dachte Edward, ist das alles dummes Zeug. Alles dummes Zeug. Und trotzdem möchte ich mal wissen…
Seine Augen bekamen einen träumerischen Glanz. Gab es vielleicht doch irgendwo eine Welt voll Romantik und Abenteuer? Gab es Frauen, deren Schönheit einem berauschend zu Kopf stieg? Gab es Liebe, die einen verzehrte wie eine Flamme?
Das hier ist das wirkliche Leben, dachte Edward resigniert. So ist es nun einmal. Man muss sich einfach darein schicken, wie alle anderen Menschen auch.
Im Großen und Ganzen musste er sich wohl als einen vom Schicksal begünstigten jungen Mann betrachten. Er hatte einen ausgezeichneten Posten als kaufmännischer Angestellter in einem florierenden Unternehmen. Er war gesund, er brauchte für niemanden zu sorgen, und er war mit Maude verlobt.
Bei dem bloßen Gedanken an Maude jedoch flog ein Schatten über sein Gesicht. Zwar hätte er es nie zugegeben, aber er fürchtete sich etwas vor ihr. Er liebte sie, das schon – noch immer erinnerte er sich, mit welchem Schauer des Entzückens er bei ihrer ersten Begegnung auf Maudes
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