Etwas ist faul
Nacken geblickt hatte, der schlank und weiß aus dem Kragen der billigen Bluse emporrankte. Er hatte im Kino hinter ihr gesessen, und der Freund, mit dem er dort war, hatte sie gekannt und sie beide einander vorgestellt. Ganz ohne Zweifel, Maude war eine fabelhafte Person. Sie sah gut aus, war intelligent und sehr damenhaft, und sie hatte immer Recht, in allen Dingen. Genau der Typ von Mädchen, wie alle Welt ihm versicherte, der eine ausgezeichnete Ehefrau abgeben würde.
Edward überlegte, ob wohl die Marchesa Bianca eine ausgezeichnete Ehefrau abgegeben hätte. Irgendwie bezweifelte er das. Er konnte sich die sinnliche Bianca mit ihren roten Lippen und ihren schwellenden Rundungen nicht vorstellen, wie sie beispielsweise für den maskulinen Bill die Hemdenknöpfe annähte. Nein, Bianca war eine romantische Fantasiegestalt, dieses hier war das wirkliche Leben. Er und Maude würden bestimmt sehr glücklich miteinander werden. Sie war so praktisch und vernünftig…
Aber trotzdem wünschte er manchmal, sie wäre nicht so – nun, so kategorisch in ihrer Art. So schnell bereit, ihm »über den Schnabel zu fahren«.
Das lag natürlich an ihrem vorausschauenden, praktischen Wesen. Maude war sehr vernünftig. Und Edward war für gewöhnlich ebenfalls sehr vernünftig, aber manchmal… Er hatte zum Beispiel schon dieses Jahr zu Weihnachten heiraten wollen. Maude dagegen hatte ihm erklärt, wie viel vernünftiger es doch sei, noch ein Weilchen zu warten – ein Jahr oder auch zwei vielleicht. Sein Gehalt war nicht sehr hoch. Er hatte ihr einen teuren Ring schenken wollen – sie war entsetzt gewesen und hatte ihn gezwungen, den Ring zurückzubringen und gegen einen billigeren einzutauschen. Sie besaß nur Qualitäten, aber Edward wünschte manchmal, sie hätte mehr Fehler und weniger Tugenden. Es war ihre Vortrefflichkeit, die ihn manchmal zu verzweifelten Entschlüssen trieb.
Zum Beispiel…
Schuldbewusste Röte überzog sein Gesicht. Er musste es ihr sagen und zwar bald. Sein schlechtes Gewissen bewirkte bereits, dass er sich seltsam benahm. Morgen war Heiligabend, der erste von drei Feiertagen. Maude hatte ihm vorgeschlagen, den Tag mit ihr und ihrer Familie zu verbringen, und auf eine plumpe, dumme Art, eine Art, die fast zwangsläufig ihr Misstrauen erregen musste, hatte er sich herausgeredet – hatte ihr eine langatmige Geschichte von einem Freund aufgetischt, der auf dem Land lebe und den zu besuchen er fest versprochen habe.
Es gab gar keinen Freund auf dem Land. Es gab nur sein schlechtes Gewissen.
Vor drei Monaten hatte Edward Robinson sich zusammen mit ein paar hunderttausend anderen jungen Männern an einem Zeitungspreisausschreiben beteiligt. Zwölf Mädchennamen sollten in der Reihenfolge ihrer Beliebtheit angeordnet werden. Und da hatte Edward einen glänzenden Einfall gehabt. Sein eigenes Urteil war mit Sicherheit falsch – diese Erfahrung hatte er bei ähnlichen Wettbewerben schon oft gemacht. Er hatte also die Namen zuerst in der Reihenfolge aufgeschrieben, die seinem eigenen Geschmack entsprach, und sie sodann ein zweites Mal notiert, wobei er jeweils zwischen den ersten und den letztplatzierten Namen seiner ursprünglichen Liste abwechselte. Als das Ergebnis verkündet wurde, hatte Edward von den zwölf Namen acht richtig getroffen und erhielt den ersten Preis von fünfhundert Pfund. Er ließ es sich nicht nehmen, dieses Resultat, das man ohne Weiteres einem glücklichen Zufall hätte zuschreiben können, als direktes Ergebnis seines »Systems« zu betrachten, und war außerordentlich stolz auf sich.
Das nächste Problem war: Was sollte er mit den fünfhundert Pfund anfangen? Er wusste sehr gut, was Maude sagen würde. Lege es an – als Startkapital für unsere Zukunft. Und Maude hätte natürlich ganz Recht, das war ihm klar. Doch Geld, das man in einem Preisausschreiben gewonnen hatte, das war seinem Gefühl nach etwas Besonderes.
Hätte er das Geld durch eine Erbschaft erhalten, so würde er selbstverständlich jeden Penny in Staatsanleihen oder Sparbriefen angelegt haben. Aber ein Glückstreffer, den man durch ein paar Federstriche erzielt hatte, gehörte für Edward ungefähr in die gleiche Kategorie wie der Sixpence, den man einem Kind zusteckte, damit es sich »etwas Schönes« dafür kaufe.
Und in einem bestimmten Schaufenster, an dem er tagtäglich auf dem Weg ins Büro vorbeiging, befand sich »etwas Schönes«, der Traum aller Träume, ein kleiner Zweisitzer mit langer,
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