Etwas ist faul
nur noch einmal eine kurze Teepause ein. Endlich trat er widerwillig die Heimfahrt an zurück nach London, zurück zu Maude, zu den unvermeidlichen Erklärungen, den Vorwürfen…
Er schob den Gedanken seufzend von sich. Das hatte Zeit bis morgen. Heute war heute. Und was konnte faszinierender sein als diese schnelle Fahrt durch die Nacht, während die Scheinwerfer sich voraus ins Dunkle bohrten. Das war überhaupt das Beste von allem!
Nach seiner Rechnung blieb ihm keine Zeit mehr, um irgendwo zum Abendessen einzukehren. Dieses Fahren bei Dunkelheit war eine knifflige Sache. Er würde länger zurück nach London brauchen, als er gedacht hatte. Es war gerade acht Uhr, als er durch Hindhead kam und zum Rand der Devil’s Punch Bowl gelangte. Der Mond schien, und der Schnee von vorgestern war noch nicht geschmolzen.
Er hielt an und blickte sich staunend um. Was machte es, wenn er nicht vor Mitternacht nach London zurückkam? Was machte es, wenn er überhaupt nicht zurückkam? Von dem hier würde er sich nicht so schnell losreißen.
Er stieg aus dem Wagen und trat an den Rand des Abhangs. In verführerischer Nähe sah er einen gewundenen Pfad, der ins Tal führte. Edward gab der Versuchung nach und wanderte die nächste halbe Stunde wie berauscht durch eine verschneite Wunderwelt. Niemals hatte er sich vorgestellt, dass es dergleichen geben könnte. Und all dieses gehörte ihm, ihm allein, ein Geschenk seiner strahlenden Geliebten, die oben auf der Straße getreulich seiner harrte.
Endlich kletterte er wieder bergauf, stieg in sein Auto und fuhr weiter, noch immer ein wenig benommen von der Entdeckung einer Schönheit, die er eben erlebt hatte und die selbst dem prosaischsten Menschen zuweilen widerfährt.
Mit einem Seufzer kam er dann wieder zu sich und streckte die Hand in das Seitenfach des Wagens, in das er irgendwann im Lauf des Tages einen Wollschal gestopft hatte.
Aber der Schal war nicht mehr da. Das Fach war leer. Nein, doch nicht – es steckte etwas Kratziges, Hartes darin, wie ein Haufen Kieselsteine.
Edward griff mit der Hand tiefer hinein. Einen Augenblick später starrte er entgeistert auf das Ding, das zwischen seinen Fingern baumelte und im Mondlicht in hundert Feuern funkelte. Es war ein Brillanthalsband.
Edward starrte es minutenlang an, aber es war kein Zweifel möglich. Ein Brillanthalsband im Wert von wahrscheinlich Tausenden von Pfund hatte da einfach so im Seitenfach seines Autos gelegen!
Aber wer hatte es dort hineingetan? Als er aus der Stadt wegfuhr, war es mit Sicherheit noch nicht da gewesen. Während er im Schnee spazieren ging, musste jemand vorbeigekommen sein und das Ding absichtlich ins Auto gelegt haben. Aber warum? Hatte der Besitzer des Halsbands sich geirrt? Oder war es möglicherweise gestohlen?
Noch während ihm alle diese Gedanken durch den Kopf schossen, zuckte Edward plötzlich zusammen, und es überlief ihn eiskalt. Dies war gar nicht sein W a gen.
Er war sehr ähnlich, gewiss. Er war vom gleichen leuchtenden Rot – rot wie die Lippen der Marchesa Bianca –, er besaß die gleiche lange, glänzende Kühlerhaube, aber an tausend Kleinigkeiten erkannte Edward, dass es sich nicht um sein eigenes Auto handelte. Die glänzende Lackierung wies hier und dort kleine Kratzer auf, der ganze Wagen zeigte unverkennbar Spuren eines längeren Gebrauchs. In dem Fall…
Ohne länger zu zögern, setzte Edward zum Wenden an. Dieses war jedoch nicht seine starke Seite. Sobald er den Rückwärtsgang einlegte, verlor er unweigerlich den Kopf und drehte das Lenkrad in die falsche Richtung. Außerdem verirrte sich sein Fuß häufig zwischen Gaspedal und Bremse, was fatale Folgen zeigte. Schließlich jedoch gelang ihm das Manöver, und der Wagen brummte gehorsam wieder den Berg hinauf.
Edward entsann sich, vorhin in einiger Entfernung einen anderen Wagen bemerkt zu haben, dem er zu der Zeit jedoch keine sonderliche Beachtung geschenkt hatte. Auf dem Rückweg von seinem Spaziergang war er aus dem Tal über einen anderen Pfad als zuvor heraufgeklettert und oben, wie er gemeint hatte, direkt hinter seinem Auto angekommen. Tatsächlich musste es aber das fremde Auto gewesen sein.
Etwa zehn Minuten später befand er sich wieder an der Stelle, wo er vorhin geparkt hatte. Aber jetzt stand überhaupt kein Auto mehr am Straßenrand. Der Eigentümer dieses Wagens musste in dem von Edward davongefahren sein – vielleicht auch er irregeführt durch die Ähnlichkeit. Edward holte das
Weitere Kostenlose Bücher