Etwas ist faul
spiegelblanker Kühlerhaube und darauf in dicken Ziffern der Preis: 465 Pfund.
»Wenn ich reich wäre«, hatte Edward Tag für Tag zu dem Auto gesagt, »wenn ich reich wäre, dann gehörtest du mir.«
Und nun war er – wenn schon nicht reich, so doch im Besitz einer Summe, die es ihm erlaubte, seinen Traum zu verwirklichen. Der Wagen, dieses wunderschöne, chromglänzende Prachtstück, war sein, er brauchte ihn nur zu bezahlen.
Er hatte vorgehabt, Maude von dem Geld zu erzählen. Damit wäre er vor jeder Versuchung gefeit gewesen. Angesichts ihrer Missbilligung, ja, ihres Entsetzens, hätte er niemals den Mut aufgebracht, seine verrückte Idee in die Tat umzusetzen. Aber zufällig war es dann Maude selber, die die Entscheidung herbeiführte. Er hatte sie ins Kino eingeladen – auf die besten Plätze. Darauf hatte sie ihm freundlich, aber bestimmt, die verwerfliche Torheit seines Benehmens vor Augen geführt – drei Shilling und sechs Pence gegenüber zwei Shilling und vier Pence, wo man von den hinteren Plätzen doch genauso gut sehen konnte!
Edward nahm die Vorwürfe mit verbissenem Schweigen entgegen. Maude hatte das befriedigende Gefühl, dass ihre Worte Eindruck auf ihn machten. Man durfte nicht zulassen, dass Edward seinen extravaganten Lebensstil beibehielt. Maude liebte Edward, aber sie wusste, er war schwach, und so oblag es ihr, ihm stets zur Seite zu stehen und ihn auf den rechten Weg zu geleiten. Sie beobachtete sein demütiges Verhalten mit innerer Genugtuung.
Edward benahm sich in der Tat wie ein getretener Wurm. Er krümmte sich. Zwar hatten ihn ihre Vorwürfe tief getroffen, doch genau in diesem Augenblick fasste er den Entschluss, den Wagen zu kaufen.
»Verdammt«, sagte er zu sich selbst. »Einmal in meinem Leben werde ich tun, was mir passt. Da kann sich Maude auf den Kopf stellen!«
Und so geschah es, dass er am folgenden Morgen jenen gläsernen Palast mit seinen chromblitzenden, lackglänzenden Herrlichkeiten betrat und mit einer Nonchalance, die ihn selbst erstaunte, sein Traumauto kaufte. Es war wirklich das Einfachste auf der Welt, sich ein Auto zu kaufen!
Das war vor vier Tagen gewesen. Seither ging er, obzwar er sich nach außen hin nichts anmerken ließ, innerlich wie auf Wolken. Und Maude hatte er noch keine Silbe davon gesagt. Täglich benutzte er seine Mittagspause, um Unterricht im Gebrauch des Prachtvehikels zu nehmen, und er erwies sich dabei als überaus gelehriger Schüler.
Morgen, am Heiligabend, würde er seine erste Ausfahrt aufs Land machen. Er hatte Maude belogen, und er würde sie, wenn es sein musste, wieder belügen. Er stand mit Leib und Seele im Bann seines neuen Besitztums. Es verkörperte für ihn Romantik und Abenteuer, all die Dinge, nach denen er sich immer vergeblich gesehnt hatte. Morgen würden sich er und seine neue Geliebte zusammen auf den Weg machen. Sie würden durch die kalte Winterluft brausen und das nervenaufreibende Getümmel von London weit hinter sich lassend, in die menschenleere Weite entschwinden…
In diesem Augenblick war Edward, ohne es selbst zu wissen, fast ein Poet.
Morgen…
Er blickte auf das Buch in seiner Hand – Sieg der Liebe. Lachend steckte er es in die Tasche. Der Wagen, die roten Lippen der Marchesa Bianca und die erstaunlichen Heldentaten von Bill, all dies schien irgendwie miteinander verwoben. Morgen…
Das Wetter, das für gewöhnlich optimistische Erwartungen zu enttäuschen pflegte, war Edward wohl gesonnen. Es lieferte ihm einen Tag, wie er ihn sich erträumt hatte, einen Tag mit glitzerndem Raureif, blassblauem Himmel und einer primelgelben Sonne.
So fuhr Edward denn, die Brust von Abenteuerlust und Wagemut geschwellt, zur Stadt hinaus. Es gab kleinere Schwierigkeiten am Hyde Park Corner und eine betrübliche Panne bei Putney Bridge, es krachte öfters mal im Getriebe, die Bremsen quietschten häufig, und zahlreiche andere Autofahrer überschütteten Edward mit Verwünschungen, doch für einen Anfänger machte er seine Sache nicht schlecht. Schließlich erreichte er eine jener geraden, breiten Straßen, die das Herz jeden Autofahrers höher schlagen lassen. An diesem Tag herrschte wenig Verkehr. Edward fuhr dahin, immer weiter und weiter; trunken von seiner Herrschaft über dieses Gefährt mit den schimmernden Flanken raste er durch die kalte, weiße Welt wie in einem göttlichen Rausch.
Es war ein fantastischer Tag. Er machte einmal Rast, um in einem altmodischen Gasthof zu Mittag zu essen, und legte danach
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