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Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Übergänge, in der sittlichen Welt so gut wie in der sozialen. Die Übergänge zwischen Tugend und Laster – zwei mythische Begriffe, die niemand recht zu fassen weiß – sind ebenso fein abgestuft und ebenso kontinuierlich wie die zwischen reich und arm. Es stecken in den auseinanderliegendsten und widerstreitendsten Dingen gewisse geheime Verwandtschaften, wodurch alles mit allem zusammenhängt. Zwischen einem Concierge in seiner Souterrainwohnung und Napoleon in St.-Cloud kann für einen Moment eine geheime Affinität aufblitzen, die unendlich viel mehr als ein bloßer Witz ist. In der Welt wirkt schlechtweg alles auf alles: wie sollte dies nicht durch die geheimnisvollsten Analogien bedingt sein? Alles fließt; nirgends hält sich ein starrer Block, weder im Geistigen, noch im äußeren Dasein. »Liebe« und »Haß« scheinen getrennt genug und fest genug umschrieben: und ich kenne diese und jene Figur bei Balzac, in deren Brust das eine dieser Gefühle in das andere übergeht mit einer Allmählichkeit, wie die Farben des glühenden Eisens. Haßt Philomène den Albert Savarus, oder liebt sie ihn? Am Anfang hat sie ihn geliebt, am Ende scheint sie ihn zu hassen, sie handelt unter einer Besessenheit, die vielleicht Haß und Liebe zugleich ist, und vermöchte man sie zu fragen, sie könnte keine Auskunft geben, welches von beiden Gefühlen sie martert. Hier sind wir durch einen Abgrund getrennt von der Welt des achtzehnten Jahrhunderts mit ihren Begriffen, wie »Tugend«, die fest, rund und dogmatisch sind, wohl geeignet, feste und theologische Begriffe zu ersetzen. Hier ist jede Mythologie, selbst die der Worte, aufgelöst. Und nirgends sind wir Goethe näher. Hier, ganz nahe, ja im gleichen Bette, rauscht der tiefe Strom seiner Anschauung. Aber es war die Grundgebärde seines geistigen Daseins, sich hier nach der entgegengesetzten Seite zu wenden. Die fließenden Kräfte seiner Natur waren so gewaltig, daß sie ihn zu überwältigen drohten. Er mußte ihnen das Beharrende entgegensetzen, die Natur, die Gesetze, die Ideen. Auf das Dauernde im Wechsel heftete er den Blick der Seele. So sehen wir sein Gesicht, so hat sich die Maske des betrachtenden Magiers geformt. Balzacs Gesicht sehen wir nicht als eine olympische Maske, über seinen Werken thronend. Nur in seinen Werken glauben wir es manchmal auftauchen zu sehen, visionär, hervorgestoßen von chaotischen Dunkelheiten, wirbelnden Massen. Aber wir vermögen nicht, es festzuhalten. Jede Generation wird es anders sehen, eine jede wird es als ein titanisches Gesicht sehen und wird auf ihre Weise daraus ein Symbol unaussprechlicher innerer Vorgänge machen. Wir wundern uns, daß wir es nicht von der Hand dessen besitzen, der das »Gemetzel auf Chios« und die »Barke des Dante« schuf. Er hätte den dreißigjährigen Balzac als den Titanen gemalt, der er war, als einen Dämon des Lebens, oder sein Gesicht als ein Schlachtfeld behandelt. Es ist eine überraschende Lücke, daß uns die Maske des Fünfzigjährigen dann nicht von Daumier überliefert ist. Sein wunderbarer Stift und sein gleich wunderbarer Pinsel hätten das grandios Faunische des Mannes aus dem Dunkel springen lassen und es mit der wilden Einsamkeit des Genies geadelt. Aber vielleicht waren ihm diese Generationen zu nahe, und es bedurfte der Distanz, die wir um ihn haben, damit etwas wie das Gebilde Rodins entstehen konnte, dieses völlig symbolgewordene, übermenschliche Gesicht, in welchem eine furchtbare Wucht der Materie sich mit einem namenlosen Etwas paart, einer dumpfen, schweren Dämonie, die nicht von dieser Welt ist, ein Gesicht, in dem die Synthese ganz verschiedener Welten vollzogen ist: das immerhin an einen gefallenen Engel erinnert und zugleich an die maßlos dumpfe Traurigkeit uralt griechischer Erde- und Meeresdämonen.
    Jede Generation, die in sich selber aus dem Umgang mit dem Werk Balzacs die Vision dieses Gesichtes hervorbringt, wird darin eine ähnliche Synthese vollziehen zwischen der ganzen Lebensschwere in sich und dem geheimsten Drang nach Bewältigung dieser Schwere, nach Erlösung, nach Aufschwung. Das Dazugehören zur dumpfen, wuchtenden Masse des Lebens, die ewig sich selber befruchtet, und zugleich das Darüberhinauswollen, der tiefste Drang des Geistes nach Geist: das ist die Signatur dieses großen tragischen Gesichtes, das nicht wie Goethes Maske über uns hin ins Ewige zu schauen scheint, sondern durch uns hindurch, mitten durch die Schwere des Lebens. Diese

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