Eulen
er hatten nie ein Haustier gehabt, wenn man die streunende Katze nicht mitrechnete, die gelegentlich hinter dem Haus auf der Veranda schlief. Diese Katze hatte nicht einmal einen Namen und Curly war das ganz recht. Mit den Menschen in seinem Leben hatte er schon mehr als genug am Hut.
Um halb fünf fuhr ein roter Truck mit Schlafkabine neben dem Bauwagen vor. Curly zog sich einen gelben Poncho über seinen glänzenden Schädel und trat hinaus in den endlosen Nieselregen.
Der Hundetrainer war ein fleischiger Mann mit Schnurrbart, der sich als Kalo vorstellte. Er sprach mit starkem Akzent, genau so, wie die deutschen Soldaten in den Filmen über den Zweiten Weltkrieg redeten. Curly hörte die Hunde wild bellen. Sie befanden sich in der Schlafkabine und warfen sich mit Macht gegen die Heckklappe des Wagens.
»Sie gehen jetzt nach Hause, jawohl?«, fragte Kalo.
Curly warf einen Blick auf seine Armbanduhr und nickte.
»Ich schließ den Zaun zu, ja. Morgen komm ich ganz früh und hole Hunde.«
»Ist mir ganz recht«, sagte Curly.
»Wenn was passiert, sofort anrufen. Hunde nicht anfassen«, warnte ihn Kalo. »Nicht mit reden. Nicht füttern. Ganz wichtig, verstanden?«
»O ja.« Curly war mehr als glücklich, sich von diesen Bestien fern halten zu können. Er fuhr seinen Pick-up rückwärts vom Grundstück und stieg aus, um das Tor hinter sich zu schließen.
Kalo winkte freundlich, dann ließ er die Kampfhunde von der Leine. Es waren lauter Rottweiler, sogar extrem große. Sofort rasten sie am Zaun entlang und durch alle Pfützen, dass es nur so spritzte. Als sie am Tor ankamen, sprangen alle vier daran hoch, knurrten und schnappten wütend nach Curly auf der anderen Seite.
Kalo kam angelaufen und brüllte Kommandos auf Deutsch. Sofort hörten die Rottweiler auf zu bellen und setzten sich mit gespitzten Ohren.
»Wohl am besten, Sie gehen jetzt«, sagte Kalo zu Curly.
»Haben die auch Namen?«
»Ja doch. Der da ist Max. Der da Klaus. Der da Karl. Und der Große da heißt Pokerface.«
»Pokerface?«, fragte Curly.
»Mein bester, der, mein Baby. Hab ich extra aus München geholt.«
»Und der Regen – macht der denen nichts?«
Kalo grinste. »Die können draußen lassen, sogar bei Hurrikan. Aber jetzt nach Hause gehen und keine Sorge machen. Hunde sich kümmern um Problem.«
Als er zu seinem Auto ging, sah Curly, dass die Rottweiler jede seiner Bewegungen verfolgten. Sie keuchten leicht und um ihre Schnauzen herum lag weißer Schaum.
Diese Nacht würde er endlich wieder gut schlafen, dachte Curly. Gegen gut zweihundert Kilo gemeinster Hundekörper hatten die Vandalen keine Chance.
Wer da über den Zaun klettern wollte, der müsste schon verrückt sein. Total übergeschnappt.
Am nächsten Morgen bot Mrs. Eberhardt Roy an, ihn auf dem Weg zu ihrem Yoga-Kurs mitzunehmen und an der Bushaltestelle abzusetzen, aber Roy lehnte ab. Es hatte endlich aufgehört zu regnen, und er war ganz froh, wieder laufen zu können.
Eine frische Brise wehte von der Küste herein und die Luft roch angenehm nach Salz und Tang. Möwen kreisten über seinem Kopf, während in einem Nest hoch auf einem Strommast zwei Fischadler einander ankrächzten. Am Boden, neben dem Pfeiler des Mastes, lagen säuberlich abgenagte Skelette von Meeräschen.
Roy blieb stehen und sah sich die Fischgräten näher an. Dann trat er zurück und schaute hinauf zu den Fischadlern, deren Köpfe gerade eben über den Rand hinausragten. Einer war größer als der andere – vermutlich war es die Mutter, die ihrem Kind das Jagen beibrachte.
In Montana lebten die Fischadler in den Pappeln entlang der großen Flüsse, in denen sie nach Forellen und Felchen tauchten. Roy hatte sich gefreut, dass es auch in Florida Fischadler gab. Es war schon erstaunlich, dass Vögel ein und derselben Gattung in zwei so weit voneinander entfernten und so völlig verschiedenen Gegenden gut leben konnten. Wenn sie es können, dachte Roy, dann kann ich es vielleicht auch.
So lange blieb er unter dem Nest stehen, dass er um ein Haar den Bus verpasst hätte. Das letzte Stück musste er sogar rennen, aber er schaffte es gerade noch und stieg als Letzter ein.
Die anderen Schüler wurden merkwürdig still, als Roy durch den Gang lief. Als er sich setzen wollte, stand das Mädchen auf dem Fensterplatz rasch auf und zog in eine andere Reihe um.
Roy hatte ein ungutes Gefühl, aber er wollte sich lieber nicht umdrehen, um zu sehen, ob er Recht hatte. Er hockte sich hin und tat so,
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