Eulen
übel. »Gute Nacht zusammen«, sagte er noch, dann drehte er den Zündschlüssel um.
»Kennen Sie den Mann zufällig?«, fragte Roys Mutter unschuldig. »Den, der im Dienst eingeschlafen ist? Was passiert mit ihm? Wird er gefeuert?«
Mit quietschenden Reifen fuhr Officer Delinko rückwärts aus der Einfahrt und brauste davon.
»Vielleicht ein Notfall«, sagte Mrs. Eberhardt, während sie zusah, wie die Rücklichter in der Dunkelheit verschwanden.
»Ja«, sagte Roy lächelnd. »Kann sein.«
8
Roy hielt sein Versprechen. Er hörte auf, nach Beatrice Leeps Stiefbruder zu suchen, obwohl es ihm enorm schwer fiel.
Wenigstens machte das Wetter es ihm leichter, zu Hause zu bleiben. Drei Tage am Stück goss es wie aus Kübeln. Laut Wetterbericht hatte sich ein tropisches Tief über dem Süden von Florida niedergelassen. Zwischen zwanzig und dreißig Zentimetern Niederschlag wurden erwartet.
Aber selbst bei herrlichstem Sonnenschein wäre Roy nirgends hingegangen. Der Typ an der Tankstelle hatte ihm mitgeteilt, dass der Fahrradreifen nicht mehr zu flicken sei.
»Haben Sie vielleicht einen Affen als Haustier?«, hatte er Roys Vater gefragt. »Ich könnte schwören, dass das im Schlauch Abdrücke von Zähnen sind.«
Roys Eltern hatten Roy nicht einmal gefragt, was passiert war. Durch die Zeit in Montana waren sie an platte Reifen gewöhnt. Ein neuer war schon bestellt, aber bis dahin stand Roys Rad ungenutzt in der Garage. Die verregneten Nachmittage verbrachte er mit Hausaufgaben und einem Cowboy-Roman. Wenn er aus dem Fenster schaute, sah er nichts als Pfützen. Mehr denn je vermisste er die Berge.
Als Roys Mutter ihn am Donnerstag von der Schule abholte, hatte sie gute Neuigkeiten für ihn. »Du darfst jetzt wieder mit dem Schulbus fahren!«
Roy machte nicht gerade einen Luftsprung vor Freude. »Wieso? Was ist passiert?«
»Ich nehme an, Miss Hennepin hat noch mal über die Situation nachgedacht.«
»Und warum? Hast du sie angerufen oder was?«
»Ich habe sogar mehrmals mit ihr gesprochen«, gab seine Mutter zu. »Uns ging es um die Gerechtigkeit. Es war einfach nicht richtig, dass du vom Schulbus verwiesen wirst, während der Junge, der mit der Prügelei angefangen hat, straffrei ausgeht.«
»Das war keine Prügelei, Mom.«
»Ist ja auch egal. Jedenfalls sieht es so aus, als hätte sich Miss Hennepin unserer Sichtweise angeschlossen. Und ab morgen fährst du wieder mit dem Bus.«
Na wunderbar, dachte Roy. Danke, Mom.
Er hatte den Verdacht, dass es einen anderen Grund gab, weswegen sie der Stellvertretenden Schulleiterin so hartnäckig auf die Füße getreten hatte – sie wollte bestimmt gern wieder in ihren Yogakurs, der immer am frühen Vormittag in der Volkshochschule stattfand. Solange sie Roy zur Schule fahren musste, ging das nicht.
Aber Roy wollte auch nicht egoistisch sein. Er konnte ja nicht für immer von seinen Eltern abhängig bleiben. Vielleicht würden die anderen Schüler im Bus gar kein großes Aufheben machen, wenn er wieder im Bus auftauchte.
»Was ist los, mein Lieber? Ich dachte, du freust dich, dass alles wieder im Lot ist.«
»Tu ich ja auch, Mom.«
Morgen ist gerade so gut wie jeder andere Tag, dachte Roy. Bringen wir’s hinter uns.
Leroy Branitt, der Mann mit der Glatze, der sich Curly nannte, stand unter Hochspannung. Seine Augenlider zuckten, weil er zu wenig Schlaf bekam, und den ganzen Tag lang schwitzte er wie ein Wildschwein.
Eine Baustelle zu überwachen war eine verantwortungsvolle Tätigkeit und jeder Morgen brachte neue Hindernisse und neue Sorgen. Dank der geheimnisvollen Eindringlinge waren sie mit ihrem Zeitplan schon zwei Wochen in Verzug. Verzögerungen kosteten aber Geld und die Bosse von Mama Paula waren alles andere als glücklich darüber.
Noch irgendein Zwischenfall und sie würden ihn feuern, das hatte einer der Manager von Mama Paula Curly zu verstehen gegeben. Der Mann war der Stellvertretende Direktor des Unternehmens und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Chuck Muckle hieß er, und Curly fand, der Name passe viel eher zu einem Zirkusclown.
Chuck Muckle war jedoch alles andere als ein fröhlicher Mensch, schon gar nicht, nachdem er den Zeitungsartikel über den Streifenwagen gelesen hatte, dessen Fenster auf dem Grundstück von Mama Paula eingeschwärzt worden waren. Zu Chuck Muckles Aufgaben gehörte es, Mama Paulas kostbaren Namen aus den Nachrichten herauszuhalten, es sei denn, das Unternehmen eröffnete gerade eine Filiale oder
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