Eulen
angekommen.
Solange die Schüler einstiegen, führte sich Dana mustergültig auf. Roy schaute hinunter auf seinen Comic. Er wusste, sobald der Bus losfuhr, würden die Angriffe weitergehen, und er wappnete sich schon innerlich für Danas nächsten Schlag.
Doch der kam nicht.
An einer Straßenecke nach der anderen rollten sie vorbei, während Roy stocksteif dasaß und darauf wartete, dass er wieder eins übergebraten bekam. Schließlich siegte seine Neugier und er spähte vorsichtig über die linke Schulter.
Roy konnte es kaum fassen. Dana hockte zusammengesunken da und starrte säuerlich aus dem Fenster. Nach dem letzten Stopp hatte sich jemand mutig neben den Volltrottel gesetzt und ihm so den Spaß verdorben.
»Was glotzt du so?«, wurde Roy gleich angeblafft.
Trotz seiner bohrenden Kopfschmerzen musste Roy grinsen.
»Hi, Beatrice«, sagte er.
9
In der Schule war es einfach nervig. Jedes Mal, wenn Roy einen der Unterrichtsräume betrat, ließen seine Mitschüler alles stehen und liegen und starrten ihn an. Es kam ihm so vor, als wären sie immer wieder neu überrascht, dass er noch lebte und alle Knochen heil waren.
Als er nach Algebra aus der Klasse kam, hörte er hinter sich ein gewaltiges Furzimitat – das war Garrett, eindeutig. Er packte Roy am Ärmel und zog ihn mit sich in die Toiletten.
»Du siehst krank aus. Du solltest gleich nach Hause gehen«, riet ihm Garrett.
»Wieso, mir geht’s gut«, sagte Roy, obwohl das nicht stimmte. Der Kopf tat ihm noch immer weh von den Schlägen, die Dana ihm im Bus verpasst hatte.
»Hör mir mal zu, du Pfeife«, sagte Garrett, »es ist mir ganz egal, wie du dich fühlst. Du bist krank. Echt krank, kapiert? Du musst deine Mutter anrufen, damit sie dich abholt.«
»Was hast du gehört?«
»Nach der siebten Stunde wartet er auf dich.«
»Soll er doch warten.«
Garrett zerrte Roy in eine der Kabinen und schloss von innen ab.
»Aber sonst geht’s dir gut, oder?«, sagte Roy.
Garrett legte einen Finger auf die Lippen. »Ich kenne einen, der mit Dana Sport hat«, flüsterte er aufgeregt. »Der sagt, Dana krallt sich dich, bevor du in den Bus steigst.«
»Und was will er dann machen?«
»Na was wohl, du Affe!«
»Direkt vor der Schule? Wie denn?«, fragte Roy »Hör mal, mein Lieber, ich an deiner Stelle würde nicht abwarten, bis ich’s weiß. Hey – du hast mir nie gesagt, dass du ihm auch eins aufs Maul gegeben hast.«
»Das war ich nicht, tut mir Leid.« Roy schloss auf und schob seinen Freund sanft nach draußen.
»Was machst du jetzt?«, rief Garrett über die Tür.
»Pinkeln.«
»Quatsch, das meinte ich nicht. Ich rede von Du-weißt-schon-wem.«
»Ich denk mir was aus.«
Aber was? Selbst wenn Roy es schaffte, Dana Matherson heute Nachmittag aus dem Weg zu gehen, würde das ganze Theater am Montag von vorn anfangen. Dana würde ihm wieder auflauern und Roy müsste sich einen anderen Fluchtplan ausdenken. Und so würde es weitergehen, Tag für Tag, bis zu den Ferien im Juni.
Es gab noch andere Möglichkeiten, aber keine war besonders attraktiv. Wenn er Dana bei Miss Hennepin anschwärzte, dann würde sie Dana in ihr Büro rufen lassen und ihm einen strengen Vortrag halten, mehr nicht. Darüber würde Dana bloß lachen. Wer konnte schon eine Stellvertretende Schulleiterin ernst nehmen, die ein einzelnes Haar über der Oberlippe kultivierte?
Wenn Roy seinen Eltern erzählte, wie die Situation mit Dana war, dann wären sie womöglich so besorgt, dass sie ihn von der Schule abmeldeten. Und das Ende vom Lied wäre, dass er mit einem anderen Bus zu irgendeiner Privatschule gekarrt würde, wo er tagein, tagaus dieselbe bescheuerte Uniform tragen und (laut Garrett) Latein lernen müsste.
Eine dritte Möglichkeit wäre, dass Roy sich noch einmal bei Dana entschuldigte, und dieses Mal müsste die Entschuldigung wirklich triefen vor aufrichtiger Reue. Aber das wäre zum einen entwürdigend und hätte zum anderen vermutlich nicht einmal die gewünschte Wirkung. Dana würde ihn trotzdem weiterhin gnadenlos schikanieren.
Als Letztes blieb ihm noch, standzuhalten und zu kämpfen. Roy machte sich nichts vor; er wusste, seine Chancen waren erbärmlich schlecht. Für ihn sprach, dass er schnell war und Grips hatte, aber Dana war bullig genug, ihn wie eine Weintraube zu zerquetschen.
Roy musste daran denken, was sein Vater einmal gesagt hatte, als sie sich über Prügeleien unterhalten hatten: »Es ist wichtig, dass man für das eintritt, was richtig ist,
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