Eulen
zu tun«, spekulierte sie.
»Hackfleisch?«, fragte Roys Vater »Für welches Projekt braucht man denn bitte sehr Hackfleisch?«
Im Rückspiegel sah Officer Delinko, wie Mr. Eberhardt seiner Frau den Arm um die Schultern legte. Ihre Augen waren feucht und sie biss sich auf die Unterlippe. Mr. Eberhardt dagegen wirkte so angespannt wie eine Uhrfeder.
Als sie in der Notaufnahme ankamen, erklärte ihnen der Pfleger am Schalter, dass Roy schlafe und nicht gestört werden dürfe. Die Eberhardts versuchten ihn umzustimmen, aber der Mann gab nicht nach.
»Wir sind seine Eltern«, sagte Mr. Eberhardt ruhig, »und wir wollen unseren Sohn sehen, jetzt gleich.«
»Sir, zwingen Sie mich nicht, meinen Vorgesetzten zu rufen.«
»Rufen Sie, wen Sie wollen, meinetwegen auch den Zauberer von Oz«, sagte Mr. Eberhardt. »Wir gehen jetzt jedenfalls da hinein.«
Der Pfleger lief ihnen durch die Schwingtür hinterher. »Das können Sie nicht machen!«, protestierte er, überholte die Eberhardts und blockierte ihnen den Weg zur Station.
Officer Delinko preschte vor, in der Annahme, seine Polizeiuniform würde den Mann beeindrucken. Aber da irrte er sich.
»Jeder Besuch ist streng verboten, das steht hier, in den Anweisungen der Ärztin.« Der Pfleger wedelte mit einem Klemmbrett. »Ich muss Sie leider bitten, zurück ins Wartezimmer zu gehen. Das gilt auch für Sie, Officer.«
Officer Delinko trat einen Schritt zurück. Nicht so die Eberhardts.
»Hören Sie, unser Sohn liegt da drin«, erinnerte Roys Mutter den Pfleger. »Sie haben uns schließlich angerufen, stimmt’s? Sie haben uns gesagt, wir sollten herkommen.«
»Sicher, und Sie dürfen Roy ja auch sehen – sobald die Ärztin es erlaubt.«
»Dann rufen Sie bitte die Ärztin! Jetzt!« Mr. Eberhardt redete weiterhin unaufgeregt, aber seine Stimme war doch um einiges lauter geworden. »Gehen Sie ans Telefon und wählen Sie die Nummer. Falls Sie vergessen haben, wie das geht, zeige ich es Ihnen gerne.«
»Die Ärztin hat gerade Pause. In fünfundzwanzig Minuten ist sie zurück«, sagte der Pfleger knapp.
»Dann findet sie uns bei unserem verletzten Sohn«, sagte Mr. Eberhardt. »So, und wenn Sie jetzt nicht den Weg frei machen, dann gebe ich Ihnen einen Tritt in Ihren Allerwertesten. Verstanden?«
Der Pfleger wurde blass. »Ich we-werde Sie bei mei-meinem Vorgesetzten me-melden.«
»Großartig, tun Sie das.« Mr. Eberhardt schob den Pfleger beiseite und ging den Gang hinunter, wobei er seine Frau am Ellbogen führte.
»Stehen geblieben!«, blaffte eine harte weibliche Stimme sie von hinten an.
Die Eberhardts drehten sich um. Aus einer Tür mit der Aufschrift Nur für Personal trat eine Frau in hellblauem Kittel mit einem Stethoskop um den Hals.
»Ich bin Dr. Gonzalez. Wo wollen Sie eigentlich hin?«
»Wir möchten unseren Sohn sehen«, antwortete Mrs. Eberhardt.
»Ich habe versucht, sie aufzuhalten«, beeilte sich der Pfleger einzuwerfen.
»Sie sind die Eltern des Jungen?«, fragte die Ärztin.
»So ist es.« Roys Vater bemerkte, dass Dr. Gonzalez sie beide mit unverhohlener Neugier betrachtete.
»Verzeihen Sie die vielleicht etwas unpassende Bemerkung«, sagte sie, »aber – Sie beide sehen nicht so aus, als würden Sie auf einem Krabbenfangschiff arbeiten.«
»Wovon um Himmels willen reden Sie überhaupt?«, fragte Roys Mutter. »Sind in diesem Krankenhaus eigentlich alle verrückt?«
»Es scheint sich um ein Missverständnis zu handeln«, unterbrach Officer Delinko. »Mr. Eberhardt arbeitet im Justizministerium.«
Dr. Gonzalez seufzte. »Also, das klären wir später. Kommen Sie, schauen wir erst mal nach Ihrem Jungen.«
Die Station der Notaufnahme verfügte über sechs Betten, von denen fünf nicht belegt waren. Um das sechste Bett war ein Vorhang gezogen.
»Wir haben ihn an den Tropf gehängt. Er bekommt Antibiotika und es geht ihm schon wieder ganz gut«, sagte Dr. Gonzalez leise. »Aber wenn wir diese Hunde nicht ausfindig machen, dann braucht er noch ein paar Spritzen gegen Tollwut, und die sind kein Zuckerschlecken.«
Die Eberhardts hakten einander unter und gingen auf das Bett hinter dem Vorhang zu. Officer Delinko stellte sich neben sie – er wollte zu gern wissen, welche Farbe Roys Hemd hatte. In seiner Tasche war immer noch der leuchtend grüne Stofffetzen von Mama Paulas Zaun.
»Wundern Sie sich nicht, wenn er schläft«, flüsterte die Ärztin und zog sanft den Vorhang beiseite.
Einige Augenblicke lang sagte niemand etwas.
Weitere Kostenlose Bücher