Eulen
Die vier Erwachsenen standen nur da und starrten entgeistert auf das leere Bett.
Von einem trapezförmigen Metallhaken hing ein Beutel mit einer gelblichen Flüssigkeit herunter. Die Kanüle war abgenommen worden und baumelte kurz über dem Fußboden.
Endlich stieß Mrs. Eberhardt hervor: »Wo ist Roy?«
Dr. Gonzalez hob die Arme und ließ sie wieder sinken: »Ich … wirklich, ich weiß es nicht.«
»Sie wissen es nicht?«, brach es aus Mr. Eberhardt hervor. »Eben noch soll ein verletzter Junge schlafend in seinem Bett gelegen haben und im nächsten Moment ist er plötzlich verschwunden?«
Officer Delinko trat zwischen Mr. Eberhardt und die Ärztin. Der Polizist befürchtete, Roys Vater könnte in seiner Aufregung etwas tun, was er später bedauern würde.
»Wo ist unser Sohn?«, fragte Mrs. Eberhardt noch einmal.
Die Ärztin klingelte nach einer Schwester und fing hektisch an, die Station abzusuchen.
»Aber er war der einzige Patient hier«, sagte Mr. Eberhardt wütend. »Wie ist es möglich, dass Sie den einzigen Patienten, den Sie überhaupt haben, verlieren? Was ist passiert – haben Außerirdische ihn in ihr Raumschiff gebeamt, während Sie Kaffeepause machten?«
»Roy? Roy, wo bist du?«, rief Mrs. Eberhardt.
Sie und Dr. Gonzalez fingen an, unter die fünf übrigen Betten der Station zu schauen. Officer Delinko nahm sein tragbares Funkgerät vom Gurt und sagte: »Ich fordere jetzt Verstärkung an.«
Genau in diesem Moment flogen die Doppeltüren des Wartezimmers auf.
»Mom! Dad! Hier bin ich!« Mit einer doppelten Umarmung erdrückten die Eberhardts ihren Sohn fast.
»Kleiner Teufel.« Officer Delinko lachte leise glucksend, während er sein Funkgerät wieder am Gurt befestigte. Er war sehr erfreut, dass Roy kein zerrissenes grünes T-Shirt trug.
»He!« Dr. Gonzalez klatschte einmal kurz in die Hände. »Alle mal herhören, bitte!«
Die Eberhardts schauten verblüfft auf. Die Ärztin schien nicht übermäßig froh zu sein, dass ihr verlorener Patient wieder aufgetaucht war.
»Das ist Roy?«, fragte sie und zeigte auf den Jungen.
»Natürlich ist er das. Wer denn sonst?« Mrs. Eberhardt küsste ihn auf den Kopf. »Schatz, jetzt legst du dich aber sofort wieder ins Bett.«
»Mal langsam«, sagte Mr. Eberhardt. »Ich bin mir nicht sicher, was hier eigentlich vor sich geht, aber ich habe das Gefühl, wir sollten uns bei Ihnen entschuldigen. Vermutlich gleich mehrfach.« Er legte beide Hände fest auf Roys Schultern. »Jetzt zeig uns mal, wo dich der Hund gebissen hat, Freundchen.«
Roy senkte den Blick. »Ich bin nicht gebissen worden, Dad. Das war nicht ich.«
Mrs. Eberhardt stöhnte auf. »Okay, jetzt ist mir alles klar. Ich bin diejenige, die nicht ganz dicht ist, stimmt’s? Ich hab nicht mehr alle Tassen im Schrank.«
»Entschuldigen Sie mich, Herrschaften, aber wir haben nach wie vor ein großes Problem«, sagte Dr. Gonzalez. »Uns fehlt noch immer ein Patient.«
Officer Delinko war total verwirrt. Wieder griff er nach seinem Funkgerät, um die Hauptwache anzurufen.
»Bevor mir gleich der Schädel platzt«, sagte Mrs. Eberhardt, »könnte mir vielleicht irgendjemand erklären, was hier eigentlich gespielt wird?«
»Das kann nur einer.« Mr. Eberhardt zeigte auf Roy, der am liebsten in einem Mauseloch verschwunden wäre. Sein Vater drehte ihn herum, so dass er Dr. Gonzalez direkt anschauen musste.
»Tex?«, sagte sie und zog eine Augenbraue hoch.
Roy spürte, wie er rot wurde. »Es tut mir Leid, wirklich.«
»Das hier ist ein Krankenhaus und kein Spielplatz.«
»Ich weiß. Entschuldigung.«
»Wenn du der echte Roy bist«, sagte die Ärztin, »wer war dann der junge Mann, der hier im Bett lag, und wo ist er hin? Und jetzt will ich die Wahrheit wissen.«
Roy starrte auf seine Schuhspitzen. Er konnte sich nicht erinnern, dass schon jemals in seinem Leben an einem einzigen Tag so viele Dinge schief gegangen waren.
»Antworte bitte, mein Sohn«, sagte sein Vater.
Seine Mutter drückte Roys Arm. »Komm schon, Schatz. Es ist wichtig.«
»Wir finden ihn, früher oder später«, sagte Officer Delinko. »Sie können sich darauf verlassen.«
Unglücklich sah Roy zu den Erwachsenen auf.
»Ich weiß nicht, wie der Junge heißt, und ich weiß auch nicht, wo er ist«, sagte er. »Tut mir Leid, aber das ist die Wahrheit.«
Und technisch gesehen war es das ja auch.
13
Während Roy unter der Dusche stand, kochte seine Mutter einen großen Topf Spaghetti. Roy aß drei
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