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Eulen

Eulen

Titel: Eulen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiassen
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Grundstück mit Bulldozern platt walzen lässt, dann werden alle Höhlen zugeschüttet«, sagte Roy.
    Sein Vater legte das Buch weg und sah Roy liebevoll an, wenn auch mit einer Spur Traurigkeit.
    »Roy, das Grundstück gehört ihnen. Sie können so ziemlich alles damit machen, was sie wollen.«
    »Aber –«
    »Sie haben ihren Papierkram bestimmt erledigt, so dass mit Sicherheit alle notwendigen Genehmigungen vorliegen.«
    »Sie haben eine Genehmigung, die Eulen zu begraben?«, fragte Roy ungläubig.
    »Die Eulen werden wegfliegen. Sie suchen sich anderswo neue Höhlen.«
    »Und wenn sie gerade Junge haben? Wie sollen die wegfliegen?«, gab Roy wütend zurück. »Wie, Dad?«
    »Das weiß ich nicht«, musste sein Vater zugeben.
    »Wie würde euch das denn gefallen, Mom und dir«, drängte Roy weiter, »wenn eines Tages irgendwelche wildfremden Leute mit Bulldozern hier auftauchen und unser Haus platt machen würden? Und nichts weiter sagen würden als: ›Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. und Mrs. Eberhardt, das ist doch nicht so schlimm. Packen Sie einfach Ihren Kram zusammen und ziehen sie woandershin.‹ Wie fändest du das?«
    Roys Vater stand langsam auf, so als lastete ein zentnerschweres Gewicht auf seinen Schultern.
    »Komm, lass uns ein Stück spazieren gehen«, sagte er.
    Es war ein windstiller, wolkenloser Abend und ein blass silberner Mond stand über den Dächern. Insekten, die an Konfetti erinnerten, umschwirrten die Straßenlaternen in großen Schwärmen. An der Straßenecke miauten zwei Katzen einander an.
    Roys Vater hielt den Kopf leicht gesenkt, die Hände hatte er in die Manteltaschen gesteckt.
    »Du wirst schnell groß«, bemerkte er zu Roys Überraschung.
    »Dad, ich bin der Drittkleinste in meiner Klasse!«
    »So meinte ich das nicht.«
    Während sie weitergingen, hüpfte Roy immer auf die Spalten zwischen den Pflastersteinen. Sein Vater und er redeten über unverfängliche Themen – über die Schule, über Sport, über Sport in der Schule –, bis Roy das Gespräch vorsichtig wieder auf das heikle Thema Fischfinger zurückbrachte. Er musste unbedingt wissen, wie sein Vater die Sache sah.
    »Erinnerst du dich noch an den Tag im letzten Sommer, als wir im Madison Canyon waren?«
    »Klar«, sagte sein Vater, »mit dem Schlauchboot.«
    »Richtig«, sagte Roy. »Und erinnerst du dich noch, wie wir da fünf große Ohreulen in einer Pappel gezählt haben? Fünf Stück!«
    »Ja, ich weiß noch.«
    »Und wie du versucht hast, ein Foto zu machen, und dir die Kamera dabei ins Wasser gefallen ist?«
    »Ganz so war’s nicht – ich hab sie fallen lassen.« Roys Vater grinste etwas dümmlich.
    »Na ja, es war schließlich nur eine Billigkamera.«
    »Schon, aber es wäre ein toller Schnappschuss geworden. Fünf auf einem Baum.«
    »Ja«, sagte Roy, »das war schon erstaunlich.«
    Die Eulengeschichte brachte es. Sein Vater nahm den Hinweis auf.
    »Dieser Junge, von dem du mir erzählt hast – weißt du wirklich nicht, wie er heißt?«
    »Er will es mir nicht sagen. Und Beatrice auch nicht«, sagte Roy. »Und das ist die volle Wahrheit.«
    »Den Namen seines Stiefvaters hat er nicht angenommen?«
    »Leep? Nein, laut Beatrice nicht.«
    »Und er geht nicht zur Schule, hast du gesagt.«
    Roys Mut sank. Wollte sein Vater Fischfinger etwa anzeigen, weil er die Schule schwänzte?
    »Was mir Sorgen macht«, fuhr Mr. Eberhardt fort, »ist die familiäre Situation. Das hört sich nicht gut an.«
    »Nein, die ist auch nicht gut«, räumte Roy ein. »Deswegen wohnt er ja auch nicht mehr zu Hause.«
    »Gibt es denn keine Verwandten, die sich um ihn kümmern könnten?«
    »Er fühlt sich sicher da, wo er ist«, sagte Roy.
    »Bestimmt?«
    »Dad, bitte übergib ihn nicht der Polizei. Bitte!«
    »Wie sollte ich denn – ich weiß doch nicht einmal, wo er ist.« Der Vater zwinkerte ihm zu. »Aber ich sag dir, was ich machen werde: Ich werde eine ganze Weile ernsthaft über die Sache nachdenken. Und das solltest du auch.«
    »Okay«, sagte Roy. Wie sollte er denn auch an irgendetwas anderes denken? Sogar sein Kampf mit Dana Matherson schien ihm jetzt wie ein verschwommener, ferner Traum.
    »Lass uns umkehren«, sagte sein Vater. »Es wird langsam spät und du hast einen langen Tag hinter dir.«
    »Kann man wohl sagen«, stimmte Roy ihm zu.
    Aber als er dann im Bett lag, konnte er nicht einschlafen. Sein Körper war erschöpft, doch innerlich war Roy hellwach, und alles, was am Tag passiert war, schwirrte ihm noch durch

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