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Eulen

Eulen

Titel: Eulen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiassen
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Oriole. Sie haben ihre Nester in den Höhlen gebaut und ziehen da ihre Jungen groß.«
    Einige von Roys Mitschülerinnen und Mitschülern rutschten unruhig auf ihren Stühlen herum. Manche fingen an, miteinander zu flüstern, andere schauten den Lehrer an. Mr. Ryan saß nachdenklich an seinem Pult und stützte das Kinn auf eine Hand.
    »Roy«, sagte er sanft, »das ist sicher ein wunderbares Thema für Biologie oder auch für Sozialkunde, aber vielleicht nicht für unsere Diskussionsrunde über aktuelle Ereignisse.«
    »Und ob das ein aktuelles Ereignis ist«, widersprach Roy. »Morgen Mittag um zwölf passiert es nämlich, Mr. Ryan.«
    »Was passiert da?«
    »Sie fangen an, das Gelände zu planieren für das neue Pfannkuchenhaus. Das wird ein richtig großes Fest oder so was«, sagte Roy. »Die Frau, die im Fernsehen immer die Mama Paula spielt, kommt auch. Und der Bürgermeister. Steht in der Zeitung.«
    Ein rothaariges Mädchen in der ersten Reihe hob die Hand. »Schreibt die Zeitung irgendwas über die Eulen?«
    »Nein«, antwortete Roy, »nicht ein Wort.«
    »Aber was passiert dann mit ihnen?«, rief ein sommersprossiger Junge von hinten.
    »Das kann ich euch sagen.« Roy schaute Mr. Ryan an. »Diese Maschinen begraben sämtliche Erdlöcher unter sich und alles, was darin ist.«
    »Das können die doch nicht machen!«, rief das rothaarige Mädchen, und alle fingen aufgeregt an, untereinander zu reden, bis Mr. Ryan sie aufforderte, still zu sein und Roy zu Ende sprechen zu lassen.
    »Die erwachsenen Eulen werden vielleicht versuchen wegzufliegen«, sagte Roy, »aber vielleicht bleiben sie auch in den Höhlen, weil sie ihre Jungen schützen wollen.«
    »Aber dann sterben sie doch!«, rief der sommersprossige Junge.
    »Wieso können diese Pfannkuchenleute das einfach machen?«, wollte ein anderer wissen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Roy, »aber es ist gegen das Gesetz und es ist auch nicht richtig.«
    Hier unterbrach ihn Mr. Ryan entschieden. »Warte mal, Roy, was meinst du damit: ›Es ist gegen das Gesetz‹? Du musst sehr vorsichtig sein mit so schwerwiegenden Anschuldigungen.«
    Aufgeregt erklärte Roy, dass die Kanincheneulen sowohl nach Bundesgesetzen als auch nach den Gesetzen des Staates Florida unter Schutz stünden und dass es illegal sei, den Vögeln etwas zu tun oder in ihren Lebensraum einzugreifen, wenn man nicht eine spezielle Genehmigung der Regierung habe.
    »Ah ja, gut«, sagte Mr. Ryan. »Aber was sagt das Pfannkuchenunternehmen dazu? Ich bin sicher, dass es die nötige Genehmigung eingeholt hat und –«
    »Die Akte fehlt«, fiel ihm Roy ins Wort, »und der Wachmann hat versucht mir weiszumachen, dass es keine Eulen auf dem Gelände gibt, nicht eine einzige. Und das ist gelogen!«
    In der Klasse begann wieder allgemeines Gerede.
    »Morgen Mittag um zwölf«, fuhr Roy fort, »geh ich dahin, um … na ja, ich will einfach, dass die Leute von Mama Paula wissen, dass es irgendjemanden gibt in Coconut Cove, dem diese Vögel nicht egal sind.«
    Mr. Ryan räusperte sich. »Das ist eine heikle Situation, Roy. Ich kann mir vorstellen, wie aufgeregt und frustriert du bist, aber ich muss dich daran erinnern, dass Schüler das Schulgelände nicht ohne Erlaubnis verlassen dürfen.«
    »Dann lass ich mir von meinen Eltern eine Entschuldigung geben«, sagte Roy.
    Der Lehrer schmunzelte. »Das wäre eine Möglichkeit«, sagte er. Die Klasse erwartete, dass er noch mehr sagte, aber das tat er nicht.
    »Schaut mal«, sagte Roy, »jeden Tag lesen wir etwas über ganz normale Leute, die Geschichte gemacht haben, weil sie aufgestanden sind und gekämpft haben für etwas, woran sie glaubten. Okay, ich weiß, wir reden hier nur über ein paar kleine Eulen, und ich weiß auch, wie wild alle auf Pfannkuchen von Mama Paula sind, aber was da passiert, ist einfach schlimm. Total schlimm.«
    Roys Kehle war so trocken wie Präriestaub und sein Hals fühlte sich heiß an.
    »Jedenfalls«, murmelte er noch, »das Ganze findet morgen Mittag um zwölf statt.«
    Damit setzte er sich.
    Ein langes Schweigen breitete sich in der Klasse aus. In Roys Ohren dröhnte es wie ein Zug.

19
    »Ich mache mir Sorgen wegen der Eulen«, sagte Officer Delinko zu Curly.
    »Was für Eulen?«
    Es war dunkel geworden auf dem Bauplatz und die Schwalben schossen kreuz und quer durch die Luft auf der Jagd nach Mücken. Morgen war der große Tag.
    »Nun tun Sie mal nicht so«, sagte der Polizist. »Ich hab sie mit eigenen Augen gesehen. Gibt es

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