Eulen
zu klatschen.
Es war der größte Schwindel, den Roy je erlebt hatte. Er konnte nicht glauben, dass irgendwer das im Fernsehen bringen oder in der Zeitung darüber schreiben würde.
»Diese Leute«, sagte Beatrice, »sind so was von unecht.«
Sobald alle Fotos geschossen waren, ließ Mr. Muckle die Schaufel fallen und schnappte sich wieder das Mikrofon. »Bevor die Bagger und Bulldozer loslegen, möchte Mama Paula noch ein paar Worte zu Ihnen sagen.«
Mama Paula sah nicht gerade besonders glücklich aus, als sie das Mikro in die Hand gedrückt bekam. »Es ist richtig schön hier in Ihrer Stadt«, sagte sie. »Wir sehen uns alle wieder bei der großen Eröffnung im Frühjahr–«
»Ganz sicher nicht!«
Dieses Mal kamen die Worte ganz laut aus Roys Mund und keiner war überraschter als er selbst. Unruhe ging durch das Publikum, und Beatrice rückte gleich ein Stück näher, weil sie mehr oder weniger erwartete, dass irgendjemand auf Roy losgehen würde.
Die als Mama Paula kostümierte Schauspielerin schien ärgerlich. Sie spähte über den Rand ihres billigen Drahtgestells in die Menge. »Wer war das?«
Roy hob automatisch den rechten Arm. »Ich, Mama Paula«, rief er. »Wenn Sie auch nur einer unserer Eulen was tun, dann ess ich keinen einzigen mehr von Ihren blöden Pfannkuchen.«
»Wovon redest du eigentlich? Was für Eulen denn?«
Chuck Muckle wollte ihr das Mikrofon wegreißen, aber Mama Paula machte eine heftige Bewegung mit dem Ellbogen und traf ihn mitten in den Bauch. »Weg da, Chuckie«, raunzte sie ihn an.
»Schauen Sie doch selber nach!«, rief Roy und zeigte mit ausgestrecktem Arm über den Platz. »Überall, wo Sie hier ein Loch im Boden sehen, wohnt eine Eule. Die bauen da ihre Nester und legen ihre Eier hinein. Die Löcher sind ihr Zuhause.«
Mr. Muckle lief puterrot an. Der Bürgermeister schaute hilflos in die Gegend, der Abgeordnete schien gleich in Ohnmacht zu fallen, und der Mensch von der Handelskammer sah aus, als hätte er in ein Stück Seife gebissen.
Inzwischen redeten die Eltern der Kinder aufgeregt miteinander und zeigten auf die Erdlöcher. Einige der Schülerinnen und Schüler skandierten Sprüche, um Roy zu unterstützen, und Beatrice’ Mannschaftskameradinnen schwenkten ihre Plakate.
Auf einem stand: MAMA PAULA GEHT ÜBER EULENLEICHEN! Auf einem anderen: VOGEL-MÖRDER RAUS! Ein drittes trug die Aufschrift: FREIHEIT FÜR DIE EULEN, MAMA PAULA AB INS LOCH!
Während der Pressefotograf Fotos von den Demonstranten schoss, flehte Mama Paula: »Aber ich will doch euren Eulen nichts tun! Ehrlich, ich kann keiner Fliege was zuleide tun!«
Chuck Muckle erwischte endlich doch noch das Mikrofon und ließ eine heftige Schimpfkanonade gegen Roy los: »Junger Mann, du solltest dich lieber erst mal über die Fakten informieren, bevor du solche empörenden und verleumderischen Beschuldigungen in die Welt setzt. Es gibt hier keine Eulen, nicht eine einzige. Diese alten Erdlöcher sind seit Jahren verlassen!«
»Ach ja?« Roy griff in seinen Rucksack und zog die Kamera seiner Mutter hervor. »Ich hab Beweise!«, rief er. »Hier drin!«
Seine Mitschüler johlten und schrien hurra. Chuck Muckles Gesicht sah auf einmal ganz grau und eingefallen aus. Mit ausgestreckten Händen ging er auf Roy zu. »Zeig mal her!«
Roy duckte sich weg und schaltete die Kamera ein. Dann hielt er den Atem an. Er hatte keine Ahnung, was er da sehen würde.
Er drückte auf den Knopf, um das erste Foto anzuschauen, das Fischfinger gemacht hatte. Im selben Moment, als das verwackelte, schiefe Bild auf dem Display erschien, wusste Roy, dass er in der Patsche saß.
Es war die Fotografie eines Fingers.
Ängstlich klickte er auf das zweite Bild, und was er jetzt zu sehen bekam, war auch nicht ermutigender: ein dreckiger nackter Fuß. Roy wusste gleich, zu wem der gehörte.
Beatrice’ Stiefbruder hatte viele Begabungen, aber das Fotografieren gehörte ganz offensichtlich nicht dazu.
Verzweifelt drückte Roy noch einmal auf den Knopf und ein drittes Bild erschien. Dieses Mal war eindeutig irgendetwas anderes als ein menschlicher Körperteil zu sehen – ein ziemlich weit entferntes, fedriges Etwas, das nur ungleichmäßig vom Blitzlicht der Kamera erfasst worden war.
»Hier!«, schrie Roy. »Schauen Sie selbst!«
Chuck Muckle riss ihm die Kamera aus der Hand und warf einen flüchtigen Blick auf das Foto, bevor er in höhnisches Gelächter ausbrach. »Was soll das denn darstellen?«
»Das ist eine Eule!«,
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