Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
verhangen sind, dann weiß Fabio doch selber, dass er kein Athlet ist«, fügte er lässig hinzu.
Meine Augen verengten sich. Ich war so wütend, dass ich zitterte. Pascal war durch meine Reaktion verunsichert und versuchte mich versöhnlich in den Arm zu nehmen.
»Lass das!« Ich entwand mich und kramte in meiner Tasche nach meinem Erdbeer-Lipgloss. Ich verteilte etwas von der gelartigen Masse auf meinen Lippen und wurde ruhiger. Halbwegs gefasst blickte ich ihn an. »Kannst du mich jetzt bitte zu Curly fahren?«, sagte ich.
»Ja, ich hole nur eben meine Sporttasche«, antwortete er kleinlaut.
Auf der Fahrt zu Curly versicherte er mir immer wieder, dass so etwas nie wieder vorkommen würde und er sich bei Fabio entschuldigen werde. Ich starrte nach rechts aus dem Autofenster und ließ seinen Monolog über mich ergehen, bis er meinte: »Ich habe vorhin eben nicht nachgedacht.«
»Vorhin?«, griff ich seine Aussage auf. »Du scheinst öfters nicht nachzudenken.«
»Wie jetzt?« Wir standen an einer roten Ampel und auf Pascals Stirn wölbten sich Denkfalten.
»Wie erklärst du dir, dass Fotos von dir, inklusive deiner Telefonnummer, bei wildfremden Groupies im Handy abgespeichert sind?«
»Äh … ja, weiß ich auch nicht.«
Seine dürftige Erklärung, brachte mich noch mehr auf die Palme. Ungeduldig klopfte ich mit den Fingerknöcheln gegen die Seitenscheibe und presste meine Lippen aufeinander.
»Vielleicht … vielleicht hat jemand meine Nummer weitergegeben«, druckste er rum.
Ich glaubte ihm kein Wort.
Wir bogen ab und kamen an die Einfahrt, die zu dem weißen Haus mit den blauen Dachpfannen führte. Kaum hatte er angehalten, öffnete ich die Wagentür und stieg aus.
»Soll ich dich später abholen?«, fragte er hoffnungsvoll.
Ich drehte mich zu ihm. »Nein danke. Nik holt mich nach der Arbeit ab.«
Enttäuscht verzog er das Gesicht. »Ok, dann bis morgen.«
»Ja«, sagte ich knapp und schlug die Wagentür zu.
An der weißen Haustür stand in goldenen Lettern
von Bingen
. Ich klingelte.
Wahrheit und Täuschung
Die helle Holztür wurde geöffnet.
»Hey Mae, komm rein.« Curly stand im Türrahmen und hielt die Hände angewinkelt, einige Zentimeter, schräg vor ihrem Körper. Ihre Hände waren mit einer Erdschicht überzogen.
»Hey Curly … bist du noch beschäftigt?«, ich betrat die Diele.
»Ich habe meiner Mutter im Garten geholfen.
Gib mir eine Sekunde. Ich wasche eben die Erde von meinen Fingern.«
»Okay, ich warte dann hier«, sagte ich, aber da war sie schon verschwunden.
Ich kippelte auf meinen Fersen hin und her und blickte mich um. Die Diele verdiente eher den Begriff Foyer. Sie war so groß wie mein Zimmer und wirkte durch ihre hohen Decken und den marmornen Boden, wie eine Eingangshalle. Aber das musste wohl so sein. In Curlys Familie war alles etwas größer. Ihr Vater arbeitete als Bankdirektor bei der Husumer Bank und das war auch am Haus und den Autos der Familie von Bingen erkennbar.
Gegenüber von der Tür hing ein alter, mannsgroßer, ornament-umrankter Spiegel. Er sah sehr wertvoll aus und etwas, was ich nicht greifen konnte, schien mich magisch zu ihm zu ziehen. Ich ging zum Spiegel und berührte mit meinen Fingerspitzen den prachtvollen, goldenen Rahmen.
»Hallo, du bist sicherlich Mae. Zieh doch deine Jacke aus«, erklang eine Frauenstimme neben mir. Ich schrak aus meinen Gedanken hoch und wich vom Spiegel zurück. Ich hatte sie nichtkommen hören. Sie schaute mich freundlich an, hielt eine kleine Schüppe und einen Blumentopf in ihren ebenfalls erdigen Händen. Ihre umgebundene Schürze zierten die Worte »Garden Lover«.
»Oh. Hallo Frau von Bingen. Ich habe Sie gar nicht bemerkt«, sagte ich überrascht und zog meinen Anorak aus.
Plötzlich schlug die Stimmung um. Ich konnte spüren, wie sich die Atmosphäre in der Diele veränderte. Curlys Mutter starrte mich an. Ihre Gesichtszüge waren angespannt und ihre grünen Augen fixierten meinen Hals, wie eine Schlange ihre Beute. Mein Puls beschleunigte. Ich fasste mir mit einer Reflexbewegung an den Hals und räusperte mich.
»Ähm … wohin soll ich die Jacke hängen?«, fragte ich kehlig. Meine Frage schien Frau von Bingen aus ihren Überlegungen zu reißen. Sie schüttelte den Kopf, als ob sie ihre Gedanken vertreiben wollte, dabei umspielte ihr rotes, lockiges Haar leicht ihre Schultern.
»Häng sie dort an die Garderobe.« Sie deutete auf einen goldenen Garderobenständer, der rechts in der Ecke, neben dem
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