Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
sauberer. Ich roch nicht den gewohnten Schmierseifengeruch, der sonst immer trotz des Essensduft in der Luft lag. Heute duftete es blumig. Wie ein buntes Frühlingsbouquet. Auch die Schülerstimmen drangen nur gedämpft an mein Ohr. Adriana und Curly grinsten sich wissend an und hakten mich in ihrer Mitte ein. Sie führten mich zu einem Tisch in der Mitte, auf dem eine strahlend weiße mit Spitzen verzierte Tischdecke lag. Ein teures Porzellangedeck und Silberbesteck waren darauf platziert. Merkwürdig.
»Setz dich, Mae«, drang Curlys melodische Stimme an mein Ohr.
Neben mir standen Nik, Fabio, Vio und Konrad mit geheimnisvollenMienen. Ich setzte mich auf einem weich gepolsterten Stuhl. Auch der war neu. Bevor ich darüber weiter nachdenken konnte, wichen die Schüler auseinander und bildeten einen Gang. Ich spähte den Gang entlang, geradewegs auf die Eingangstür. Diese wurde nun von einem Schüler geöffnet und herein kam … Sam. Ich bekam eine spontane Schnappatmung und mein Magen begann zu flattern, wie eine Fahne im Wind. Anmutig schritt Sam durch den Gang, und steuerte auf mich zu. Er sah zum Niederknien aus. Seine himmlischen smaragdgrünen Augen leuchteten und sein hinreißendes Lächeln trieb mich an den Rand des Wahnsinns. Sam war ganz in weißem Leinen gekleidet. Unter dem halbaufgeknöpften Hemd konnte ich seine muskulöse Brust und das Amulett glitzern sehen. In seiner Hand trug er eine einzelne rote Rose.
Ich schluckte, als er bei mir angekommen war und meine Hand nahm. Er war so verdammt hübsch. So unheimlich schön, dass es mir fast körperliche Schmerzen bereitete ihn anzusehen. Sämtliche Schüler beobachteten uns. Es herrschte andächtige Stille, als Sam das Wort ergriff.
»Meine liebste Mae«, hauchte er sanft. »Seit unserer ersten Begegnung hast du mein Herz berührt wie keine andere zuvor.«
Ich spürte, eine Flamme in mir wild lodern.
»Mae«, setzte er immer noch meine Hand haltend wieder an. »Noch nie habe ich mich in der Gegenwart eines Mädchens so gefühlt, wie mit dir.«
Oh Gott, mir wurde schwindelig, als er weitersprach.
»Und daher möchte ich dich vor der ganzen Schule fragen, ob du mir die Ehre erweist, meine Freundin zu sein?« Sam überreichte mir die Rose.
Meine Hände zitterten, als ich sie annahm.
»Ja«, hauchte ich mit brüchiger Stimme in die Stille.
Tosender Applaus brandete auf. Sam lächelte mich an. Er beugte sich vor. Langsam, ganz langsam. Als seine warmen Lippen meine berührten, durchrieselte mich ein Prickeln, welches meinen ganzen Körper überzog. Wahnsinn. Wie konnte ein Mensch nur so toll küssen und riechen? Sein Duft betörte mich. Ich wollte unbedingt mehr davon. Wollte, dass es nie mehr aufhört.
Viel zu schnell ging es vorbei. Sams kräftige Arme hielten michumschlungen. Die Schüler klatschten immer noch. Einige pfiffen sogar. Unter ihnen sah ich Pascal. Auch er klatschte begeistert. Verwundert blickte ich zu ihm. Aber dann war ich nur noch erleichtert und froh.
Sam zog mich wieder an sich. Dieses Mal …
Ein schrilles Klingelgeräusch ertönte. Ich fuhr so heftig zusammen, dass ich den Bleistift fallen ließ.
»Und für das nächste Mal recherchiert ihr bitte, welche anderen Bettelorden es gab und was diese voneinander unterschied«, sagte Frau Müller-Hellmich abschließend.
»Gott sei Dank«, stöhnte Adriana neben mir. »Ich dachte schon, die Stunde geht nie vorbei. Fast wäre ich eingeschlafen.« Sie verdrehte ihre Augen.
Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass alles ein Tagtraum gewesen war. Noch völlig durcheinander griff ich nach meiner Tasche und ließ mich durch die anderen drängenden Schüler aus dem Klassenraum schieben. Adriana zog mich am Arm durch den Gang, als ob sie mir nicht zutraute, selbständig zur Cafeteria zu gelangen. Ich fühlte mich immer noch betäubt, als sich Pascal mir auf dem Flur in den Weg stellte. Ich machte eine Vollbremsung.
»Hey, Mae.« Seine Hände hielt er in den Taschen seiner Jeans verborgen. »Kann ich mal kurz mit dir reden?«, fragte er angespannt.
Adriana schaute mich fragend an.
»Ähm … wir wollten eigentlich in die Cafete …«, setzt ich an.
»Nur ganz kurz«, unterbrach er mich.
Ich schluckte. »OK«.
Adriana blieb neben mir stehen.
»Ich meine, alleine reden.« Pascal deutete mit einem Kopfnicken auf Adriana.
»Wieso?«, fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe keine Geheimnisse vor Adri. Du kannst ruhig mit mir reden, während sie dabei
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