Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
morgen mit ihm Schluss machen.
»Setz dich doch zu mir.« Er deutete auf einen Stuhl in der Ecke am Fenster und stellte mit der Fernbedienung den Ton der Musiksendung leiser.
Ich stellte den Stuhl neben seinem Bett. »Wie geht’s dir?«
»Schon besser.« Er zeigte auf den Tropf. »Hab ja jetzt was gegen meine Schmerzen. Und du bist ja jetzt auch da.« Er lächelte mich hoffnungsvoll an.
»Was hat denn der Arzt gesagt? Ist was gebrochen?«
»Nee, gebrochen ist nix. Bei der Kernspint-Tomographie wurde ein Miniskusriss festgestellt.« Er verzog missmutig sein Gesicht. »Genauer gesagt, ein Korbhenkelriss.«
Ich runzelte fragend die Stirn. »Und was bedeutet das?«
»Das bedeutet, dass ich operiert werden muss und mindestens ein halbes Jahr kein Handball spielen kann.« Enttäuscht verschränkte er die Arme vor der Brust.
»Oh …« Mehr fiel mir dazu nicht ein. Ich knetete meine Finger und schaute auf die Kanüle, die in seiner Hand steckte. »Wann… wann ist denn die Operation?«
»Schon morgen. Der Arzt meinte, dass wir keine Zeit verlieren sollten. Je länger wir warten, umso langwieriger wird der Heilungsprozess.« Er hob seine Hand, um über meine zu streicheln. Es fühlte sich unaufrichtig an. Unaufrichtig von mir, dies geschehen zu lassen, wo ich doch vorhatte die Beziehung zu beenden. Dieser ganze Besuch war unaufrichtig. Eine unbehagliche Mischung aus Mitleid und Heuchlerei ließ mich meine Hand zurückziehen.
»Ähm … die Mannschaft hat übrigens den Pokal gewonnen«, sagte ich rasch, um meine Reaktion zu überspielen.
Zynisch verzog er das Gesicht. »Na toll. Und ich war nicht dabei …«
»Ich dachte du freust dich darüber.«
»Freuen?« Er zuckte die Achseln und starrte mich provokant an. »Ich war ja nicht daran beteiligt. Was hab ich also davon?«
Ich verschränkte jetzt auch die Arme vor der Brust. Ärger flackerte in mir auf. »Es ist deine Mannschaft?«
Pascal lächelte versöhnlich, er schien meinen Missmut bemerkt zu haben. »Wie hoch haben wir denn gewonnen?«
»2:1«, antwortete ich knapp.
Pascal rieb sich mit der Hand sein Kinn. »Da hat Nik ja wieder ganze Arbeit geleistet.« Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. »Auf deinen Bruder ist echt Verlass.«
»Es war aber nicht Nik.« Ich senkte meinen Blick.
»Was? Nicht Nik?«, fragte er überrascht. »Welches Coming-out habe ich denn verpasst?«
Ich holte tief Luft und schaute ihm geradewegs in die Augen. »Es war Sam.«
Schweigen erfüllte das Zimmer. Pascals Gesichtszüge verhärteten sich. Die Halsschlagader trat hervor, als er seine Hände zu Fäusten ballte. Er antwortete nicht. Wir starrten einander an und schwiegen. Pascal atmete tief und seine Augen glühten vor Zorn. »Sam«, zischte er verachtend.
»Ja, Sam«, entfuhr es mir schnippisch. Ich fühlte mich durch seinen stillen Vorwurf angegriffen.
»Was erwartest du von mir? Soll ich jetzt vor Freude in die Luft springen, dass Sam der Superheld den Siegestreffer gemacht hat?« Seine Worte trafen mich scharf wie Rasierklingen.
»Nein«, platze ich heraus. »Aber du solltest aufhören Sam die Schuld für Dinge zu geben, für die er nichts kann. Ohne ihn hätte die Mannschaft nicht gewonnen.«
»Natürlich. War ja klar. Sam der Handballgott.« Er hob abwehrend die Hände. »Gegen den darf man ja nichts sagen.«
Meine Haltung versteifte sich. »Ich weiß nicht, was du damit meinst«, sagte ich kopfschüttelnd.
»Doch, das weißt du ganz genau.« Er betonte jedes einzelne Wort. »Du musst jetzt gehen.«
Ich starrte ihn mit offenem Mund an. »Was?«, fragte ich, als hätte ich nicht richtig verstanden.
»Geh nach Hause, Mae.« Pascals Stimme war durchtränkt von Boshaftigkeit. So hatte er noch nie zuvor mit mir geredet. Wortlos erhob ich mich und verließ das Zimmer.
Alt und Neu
Ich meldete mich nicht bei ihm. Ich machte auch nicht Schluss. Ich machte gar nichts. Vielleicht war ich insgeheim sogar froh darüber, dass er mich weggeschickt hatte. So musste ich mich wenigstens nicht bei ihm melden. Hey, wie war eigentlich deine Operation? Ach ja, ich wollte übrigens auch eben noch Schluss mit dir machen. Ich meine … hallo? Nein, so wie es war, war es gut. Das unangenehme Gespräch konnte dadurch schön weit weggeschoben werden.
Nik tackerte bunte Flyer an das schwarze Brett der Schule. »Leon hat mich gestern angerufen und mir gesagt, dass er aus der Band aussteigt.
»Er hat seine Eltern bequatscht, ihn an dieser Musikschule in Hamburg anzumelden«,
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