Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
Typ aus der Schule? Der, der beim Handballspiel verletzt wurde?« Er verbarg nicht das Interesse in seiner Stimme.
»Genau. Scheint sich ja bereits rumgesprochen zu haben.« Ich verzog den Mund. »Ist alles ziemlich verfahren.«
»Willst du mir vielleicht erzählen, was genau passiert ist? Ich meine, vielleicht kann ich dir helfen«, bot er an.
Mein Verstand sagte mir, dass es besser wäre, die Sache für mich zu behalten. Konrad machte aber einen so hilfsbereiten Eindruck, dass ich dem intensiven Drang nachgab, über diese Sache zu reden. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte. Vom Anfang bis zum Ende, alles. Nur den Teil mit Sam klammerte ich sorgsam aus. Als ich endete, zog er zischend die Luft durch seine Zähne.
»Hört sich nicht wirklich nach deinem Yang an. Dein Freund scheint ja nicht davon auszugehen, bald wieder Single zu sein.«
»Nein … kommt mir auch nicht so vor.« Ich zuckte die Schultern. »Sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird, werde ich es ihm sagen.«
»Klar. Du schaffst das.« Er legte mir ermutigend seine kalte Hand auf die Schulter. »Da bin ich ganz optimistisch.«
»Ach, hier seid ihr.« Nik und Vio kamen über die Wiese. »Ich wollte schon eine Suchanzeige aufgeben!«
»Wir schuften da drin und ihr macht euch ein schönes Leben.« Anklagend deutete Vio mit ihrem Kopf zum Schwimmbad.
»Wir haben uns nur ein bisschen unterhalten und uns kennengelernt.« Konrad drückte ihr besänftigend einen Kuss auf die Lippen und Vio erlag augenblicklich seinem Charme.
»Das macht er immer«, seufzte sie. »Er weiß ganz genau, dass ich ihm einfach nicht widerstehen kann.«
Ruckartig warf Konrad die perplexe Vio über seine Schulter. »Und ich weiß noch viel mehr.« Mit diesen Worten rannte er jauchzend mit ihr über die Wiese und verschwand in der Scheune.
Ich erhob mich und klatschte geschäftig in die Hände. »Also was kann ich tun?«
»Nichts. Wir sind für heute mit allem fertig. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass wir gleich fahren.«
»Oh …«, entfuhr es mir enttäuscht.
»Sag bloß du hast ein schlechtes Gewissen?«, zog er mich auf. »Da kann ich dich beruhigen. Das kannst du dann morgen als Mädchen für alles bei unserer ersten Probe abarbeiten.«
»Morgen schon?«, fragte ich ein wenig zu überschwänglich und versuchte dann möglichst beiläufig zu klingen. »Ähm … ja klar, mach ich.«
Ich wurde ein Klitzekleines bisschen rot, als ich in das sichtlich amüsierte Gesicht meines Zwillings guckte. Er wusste etwas. Oder vielmehr ahnte er etwas, da war ich mir ziemlich sicher. Wir durchquerten das mittlerweile leere Schwimmbad. Adriana und Fabio warteten bereits am Transporter.
»Dann bis morgen«, rief Vio. Sie saß mit Sam, Curly, Konrad und Herrn Drachenberg an einem Tisch, der seitlich vom Hauseingang aufgestellt war. Wir winkten ihnen zu. Dann hievte ich mich in den Transporter. Die Abschiede von Sam, wenn auch nur bis zum nächsten Tag, stimmten mich zunehmend melancholisch. Während der Wagen vom Hof rollte, konnte ich im Seitenspiegel sehen, wie Sam uns scheinbar ebenso schwermütig hinterher schaute.
Am nächsten Tag hatte ich in der ersten Stunde Geschichte. Sam saß schräg hinter meinem Platz. Sofort nachdem ich den Klassenraum betreten hatte, nahm er Blickkontakt auf und verzog seinen Mund zu diesem unwiderstehlichen Lächeln, als hätte er auf meine Ankunft gewartet. Ich erwiderte sein Lächeln probeweise, blickte dann aber zur Seite, da ich erneut rot anlief.
Als ich mich neben Adriana setzte, raunte sie mir zu: »Er schaut die ganze Zeit zu dir rüber.«
»Ich weiß …«, flüsterte ich zurück und hätte schwören können, dass meine Rötung einen noch dunkleren Ton annahm.
Ich versuchte vergeblich, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Sams Präsenz verdrängte alle Gedanken, die nichts mit ihm zu tun hatten. Wie in Trance zog die Schulstunde an mir vorbei.
»Wer von euch möchte das diesjährige Fachreferat zur aktuellen Unterrichtsreihe halten?«, drangen Herrn Krauss‘ Worte zu mir durch. Ich riss mich zusammen und schaffte es mich zu melden.
»Ja, Maria-Helene. Welches Spezialgebiet hast du dir ausgesucht?«
Neugierig schaute Sam zu mir, was es mir nicht gerade erleichterte mich am Unterricht zu beteiligen.
»Ja … ähm, ich hatte an die Bombardierung Dresdens von 1945 gedacht.« Meine Hände zitterten. Sams Blick war so intensiv, wie Röntgenstrahlen, die durch meinen Körper glitten.
»Das ist ein sehr interessantes
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