Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
türmte.
»Wie? Wie weit?« Das Spielchen spielte ich mit.
»Na ja …«, sie legte die Kelle beiseite und balancierte den Teller zum Tablett. » … du warst ja immerhin mit ihm den ganzen Nachmittag zusammen. Ich meine, allein … auf seinem Zimmer«, raunte sie mir zu.
»Wir haben am Referat gearbeitet. Sonst nichts.«
Hätte ich es nicht besser gewusst, wären mir bei ihrem ungläubigen Blick selber Zweifel gekommen. »Wären wir sonst so schnell fertig geworden?«
»Mhm …« Sie war nicht zufrieden gestellt, aber überzeugt.
Wir erreichten unseren Tisch und setzten uns auf die leeren Stühle gegenüber von den anderen. Unsere Tabletts waren die Einzigen auf dem Tisch. Curly, Sam, und Konrad unterhielten sich. Wieder hatten sie noch nicht einmal ein Glas Wasser vor sich stehen. Ich wollte es nicht, aber dieses irritierende Gefühl, stellte sich erneut ein. Es war als würde ich ein Bild betrachten, in dem sich Fehler versteckten. Noch etwas war anders als sonst. Sam und Konrad sahen heute viel … ja, irgendwie lebendiger aus.
Sam beugte sich zu mir über den Tisch.
»Hast du Lust, das Referat nochmal durchzugehen?«, fragte er und lächelte. Die Wirkung seines Lächelns auf mich war unbeschreiblich. Ich riss mich zusammen, damit die Pause zwischen seiner Frage und meiner Antwort nicht wieder in die Abteilung für leicht Irre fiel.
»Das ist … ja klar, mein ich – gute Idee.« Das klang noch nicht überzeugend. »Schließlich soll es ja eine Eins werden«, fügte ich bekräftigend hinzu.
Er lächelte mich immer noch an. »Da bin ich mir ganz sicher, dass es das wird.«
Mit einer eleganten Bewegung zog er die Mappe aus seiner Schultasche und erläuterte mir nochmal genau den Ablauf des Referates, welche Passagen er und welche ich vortragen würde. Ich bemühte mich dabei, mein Essen nicht zu vergessen. Dies war allerdings fast unmöglich, denn sein betörender Duft stieg in meine Nase, der heute ebenfalls sehr viel intensiver zu sein schien, als sonst. Berauscht sah ich ihn an und bemühte mich an den richtigen Stellen zu nicken, als er auf die blau unterstrichenen Abschnitte deutete, die ich vortragen sollte.
»Kriegst du das hin, Mae?«, sagte er ruhig und legte mir wie selbstverständlich seine Hand auf den Arm. Sie war warm. Augenblicklich breitete sich ein wohliges Prickeln von meinen Fingerspitzen bis in die Schulter aus. Ich schnappte nach Luft und räusperte mich umständlich.
»Na klar. Wir haben es ja öfters geprobt.«
Mein Kartoffelgratin war kalt, aber ich ignorierte es und schluckte den Bissen von meiner Gabel hinunter. Adriana wechselte auf einen Platz neben Curly, als Konrad sich verabschiedete, um Vio an der Turnhalle zu treffen. Wahrscheinlich erzählte sie Curly haarklein, welche Pläne sie für das bevorstehende Date mit meinem Bruder hatte.
»Isst du nichts?«, platzte ich heraus und bereute es auf der Stelle. Ich presste die Lippen aufeinander und starrte auf meinen Teller. Sams Hand glitt von meinem Arm.
»Nein«, erwiderte er mit leiser Stimme. »Ich bin nicht hungrig.« Ich blickte auf. Seine gerunzelte Stirn verlieh seinem Gesicht etwas Frustriertes.
»Sorry. Ich wollte dich nicht ärgern. Ich dachte nur, du hast vielleicht Hunger.«
»Hast du nicht«, lächelte er mir aufmunternd zu. »Die Pause ist gleich vorbei. Du solltest dich mit deinem Essen besser beeilen, sonst kommen wir zu spät zu unserem Vortrag.«
Erleichtert darüber, nicht wieder in ein Fettnäpfchen getreten zu sein, schlang ich den Rest meines Gratins hinunter und eilte dann mit ihm zum Geschichtskursraum. Es war ein tolles Gefühl, mit ihm durch die Schulgänge zu laufen. Stolz straffte ichdie Schultern und stellte mir vor, wie es sein würde, dies immer zu tun.
Konzentriert schaute er Herr Krauss auf die Kopie des Referates, die ihm Sam zu Beginn der Stunde ausgehändigt hatte. Begeisterung und Missmut schienen für ihn nicht zu existieren. Seine Miene blieb stets unbeweglich. Die graue Lockenmähne war das Einzige, was sich regte, wenn er den Kopf zur Seite neigte, um seinen Blick auf eine andere Seite zu richten.
»Bei den Tieffliegerangriffen prasselten die Salven der Maschinengewehre auf schutzlose Zivilisten nieder. Durch den tiefen Flug der Jagdflieger waren die feindlichen Schützen meist deutlich zu erkennen und die Opfer mussten davon ausgehen, gesehen und vorsätzlich beschossen worden zu sein. Dabei kam es nur selten vor, dass die Bevölkerung Dresdens verschont blieb.« Sam
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