Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
Blick stand. »Es ist wichtig … für mich.«
Verwunderung spiegelte sich in seinem Gesicht, bevor kurz darauf eine jähe Gereiztheit ihren Platz einnahm.
»Warum ist das so wichtig für dich?«
Es schrillte, die Pause war zu Ende.
»Weil … weil ich dir glaube«, rief ich über die Klingel hinweg. Einen Moment zögerte er, dann sprang er urplötzlich auf und stopfte seine Sachen in den Rucksack.
»Ich muss los zum Physikunterricht«, sagte er mit matter Stimme, drehte sich um und hastete aus dem Klassenraum.
Traum und Wirklichkeit
Ich saß an meinem Schreibtisch und versuchte mich schon seit einer halben Stunde an einer Französischübersetzung, aber meine Gedanken waren die ganze Zeit bei Sam. Immer wieder drückte ich die Miene des Kugelschreibers rein und raus, rein und raus. Nachdem Sam aus dem Klassenraum geeilt war, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Ich suchte alle Räume der Schule nach ihm ab, ohne Erfolg. Morgen war der erste Maifeiertag was bedeutete, noch einen Tag länger warten zu müssen, bevor ich ihn in der Schule wiedersah. Ich starrte auf den Lavendel, in der Hoffnung auch heute seine beruhigende Wirkung zu spüren. Was Sam wohl gerade dachte? Hätte ich besser meine Klappe halten, ihn nicht auf die Tieffliegerangriffe ansprechen sollen? Der Regen prasselte laut auf das Vordach meines Balkons. Ich ging zum Fenster und schloss es. Unschlüssig blickte ich in den Garten, nicht sicher, was ich mit der Situation anfangen sollte. Vielleicht würde es helfen, etwas Musik zu hören. Meine Fingerspitzen streiften über die CDs in meinem Regal, bis ich endlich eine herauszog. Ich schaltete den Knopf auf
on
, das Pick-up fuhr heraus, ich legte die CD ein, drückte auf
play
und setzte meine Funkkopfhörer auf. Gespannt wartete ich, lehnte den Kopf an das Regal und schloss die Augen. Die ersten Akkorde erklangen und ich ließ mich von ihnen weit wegtreiben. Es gab nur meinen gleichmäßigen Atem, diese Stimme und das Wissen, es würde alles wieder gut werden. Bei meiner Lieblingsstelle des Songs öffnete ich die Balkontür und trat in den Platzregen. Regentropfen perlten an meiner Hautherunter und tränkten mein T-Shirt und die Jeans. Ich legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und breitete die Arme aus. Dann fühlte ich nur noch.
»Ich muss durch den Monsun – Hinter die Welt – Ans Ende der Zeit – Bis kein Regen mehr fällt – Gegen den Sturm – Am Abgrund entlang – Und wenn ich nicht mehr kann, denk‘ ich daran – Irgendwann laufen wir zusammen – Weil uns einfach nichts mehr halten kann.«
Meine triefenden Klamotten hängte ich an den Badheizkörper. Ich wickelte mir ein Handtuch um die nassen Haare und schlüpfte in einen Jogginganzug und Wollsocken. Dann warf ich mich auf das Bett und holte mein Tagebuch hervor.
Mittwoch, 30. April 2008 (15 Uhr 27)
Liebes Tagebuch
,
es scheint so, als würde ich nicht mehr ohne dich und deinen stillen Beistand auskommen. In meinem Kopf drehen sich immer mehr Strudel, die mich nicht mehr klar denken lassen. Es ist alles so verworren und undurchsichtig
.
Ich habe mit Sam in Geschichte mein Fachreferat gehalten und es lief alles absolut gut. Der Kurs hörte zu, wir konnten es ohne Pannen vortragen. Doch dann lief es aus den Rudern. Herr Krauss hat uns mit einer Eins minus benotet, da wir angeblich nicht richtig zu den Tieffliegern recherchiert hätten. Ich habe Sam noch nie so wütend gesehen wie in diesem Moment, ich hatte schon befürchtet er springt Herrn Krauss an die Gurgel, als der ihn aufforderte, Beweise für die Tiefflieger zu bringen. Nach der Stunde setzte ich mich zu Sam. Er war immer noch vor Wut wie erstarrt. Plötzlich waren da wieder diese Bilder, fast so wie damals, als ich das Geschichtsbuch berührt habe. Ich spüre regelrecht, dass da etwas ist, was mit ihm und meinen Visionen zu tun hat. Was es ist, kann ich zwar nicht sagen, doch in mir ist dieser Drang es herauszufinden, und Sam erscheint mir als ein fehlendes Puzzelteil in dieser Sache. Ich muss unbedingt mit ihm darüber reden. Sonst platze ich. Aber morgen ist der erste Mai. Das bedeutet keine Schule und keine Möglichkeit Sam zu fragen. Wie soll ich es nur bis übermorgen aushalten?
Für morgen habe ich Vio versprochen mit ihr einen Mädelstag am Ordinger Strand zu machen. Sie möchte unbedingt ihr neuesBrett einweihen. Na ja, wenigstens bin ich dann etwas abgelenkt und starre nicht die Wände an. Seufz! Ach ja, Adriana hat heute Abend endlich ihr lang ersehntes
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