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Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Titel: Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Kay
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blätterte eine Seite um blickte zu den Schülern.
    »Nun ein paar statistische Angaben, damit das Ausmaß der Bombardierung für euch deutlich wird. In der Nacht vom 13. bis 14. Februar 1945 kam es zu zwei Angriffen. Am 13. Februar um 21:45 Uhr wurde der 175. Fliegerangriff für Dresden ausgelöst. In der Zeit von 22:13 Uhr bis 22:28 Uhr zerstörten 244 britische Bomber mit 529 Luftminen und 1800 Spreng – und Brandbomben unzählige Gebäudedächer. Während der zweiten Angriffswelle um 1:23 Uhr bis 1:54 Uhr warfen die Bomber insgesamt 650.000 Stabbrandbomben über Dresden ab. Bei den geschichtsträchtigen Angriffswellen vom 13. bis 15. Februar 1945 verloren nahezu 25 000 Menschen ihr Leben. Die Innenstadt und auch die industrielle Infrastruktur Dresdens wurden zum größten Teil zerstört.« Sam schloss die Mappe. Ergriffen schauten unsere Mitschüler auf Sam, keiner sagte etwas. Man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören, wenn sie gefallen wäre. Unschlüssig stand ich mit ihm neben dem Pult.
    »Danke, Maria-Helene und Samuel«, ergriff Herr Krauss schließlich das Wort. Wir setzten uns auf unsere Plätze, begleitet vom anerkennenden Knöchelklopfen auf den Tischplatten.
    »Das war alles in allem ein sehr ordentliches und auch ausführliches Referat. Ihr habt gut recherchiert, bis auf einen Punkt.« Er nahm die Brille ab. »Ich hätte mir gewünscht, dass die Tiefflieger als das dargestellt werden, was sie sind. Die Tieffliegerangriffesind ein Mythos. Die seriöse Geschichtswissenschaft weiß, dass dies für die jeweiligen Piloten ein Selbstmordkommando gewesen wäre.«
    »Die angeblich so seriöse Geschichtswissenschaft weiß gar nichts.«
    Verblüfft schaute Herr Krauss von seinen Notizen auf. Sams Aussage durchschnitt die Luft wie ein Messer. Er bebte vor Erregung und durch das Ballen seiner Fäuste traten die Sehnen an den Armen hervor. Sein Gesicht war düster, die Lippen nur noch eine schmale Linie und seine Augen schimmerten hart, als wären sie aus Granit. Die Klasse hielt die Luft an, keiner wagte, sich zu rühren. Mein Herzschlag pochte mir in den Ohren, Sams Anspannung übertrug sich auf mich. Ich blickte zwischen Sam und Herr Krauss hin und her. Sie starrten einander stumm an, was nahezu unerträglich für den Kurs war. Nach einer Weile fing sich Herr Krauss.
    »Nun gut, dann bring mir dafür Beweise, wenn du davon so überzeugt bist.« Seine Augen hatten wieder den gewohnten emotionslosen Ausdruck. »Bis dahin trage ich euch eine Eins minus ein«, rief er über das Schrillen der Pausenglocke.
    Über das ansteigende Stimmengewirr wurden Stühle gerückt, Taschen geschultert, Schüler wechselten geschäftig den Raum.
    »Ich gehe dann schon mal vor«, sagte Adriana mit einer verschwörerischen Kopfbewegung auf Sam.
    Die Klasse war leer, als ich immer noch schockiert zu Sam hinüber ging. Er saß weiterhin mit einem versteinerten Gesicht auf seinem Platz und starrte ins Leere. Seine Hände lagen gefaltet auf der Tischplatte und an den rhythmischen Bewegungen seiner Wangenknochen konnte ich erkennen, dass er sich auf die Zähne biss.
    »Hey, alles OK mit dir?«, fragte ich unsicher und setzte mich auf den Platz neben ihm, stützte meine Ellenbogen auf den Tisch und schaute ihn fragend an. Mit traurigem Blick verharrte er immer noch in seiner Position. Als er nicht reagierte, setzte ich erneut an. »Also wenn es wegen dem Minus ist, mir macht es wirklich nichts aus …«
    »Es ist nicht deswegen, Mae«, erwiderte er kühl und so leise, dass ich mir Mühe geben musste, ihn zu verstehen.
    »Weswegen dann?«
    Von draußen drangen dumpfe Stimmen in den Klassenraum. In sein Gesicht trat ein bitterer Ausdruck.
    »Es ist, weil er die Unwahrheit sagt.«
    Plötzlich wurden erneut die Bilder vor meinem geistigen Auge sichtbar. Das Gesicht des Piloten, der mit einem Gewehr auf mich zielte. Die Erinnerung zog meinen Brustkorb zusammen, mein Puls beschleunigte sich.
    »Woher weißt du das?«, flüsterte ich.
    »Mae«, seine sanfte Stimme war unwiderstehlich, als ich in seine unendlich grünen Augen schaute, die mich hypnotisch anzogen. »Ich weiß es einfach.«
    Es war wie eine Bitte. Eine Bitte ihn nicht weiter zu fragen. Gerne wäre ich ihr nachgekommen, aber die Hoffnung auf eine möglichen Erklärung meiner immer wiederkehrenden Bilder und seinem Wissen, ließen eine gewisse Hartnäckigkeit in mir aufkommen. Ich atmete tief durch und setzte mich gerade hin.
    »Sag mir bitte die Wahrheit.« Ich hielt seinem

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