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Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Titel: Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Kay
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Konrad, der das Wolfsrudel anführte.
    »Ich … ich wollte mit dir reden.« Unsicher schaute ich zu Sam. Er nickte nur und lief wortlos zum Ausgang. Ich räusperte mich. Konrads Gesicht war hart und ausdruckslos, keine Träne schimmerte in seinen Augen. Da war nur Leere, während er mich schweigend betrachtete. Gedanken wirbelten kreuz und quer durch meinen Kopf, mit einem Mal war ich mir nicht sicher, was ich sagen sollte. »Konrad, ich wollte dir nur sagen, dass ich mir gut vorstellen kann, wie du dich fühlen musst …«
    »So?«, unterbrach er mich kalt und emotionslos. Dann verschränkte er die Arme vor seiner Brust und verfiel in ein bitteres Gelächter. Von einer Sekunde zur nächsten setzte er erneut die harte, ausdruckslose Maske auf. »Gar nichts kannst du. Wie solltest du dir so etwas vorstellen können?« Seine Finger tasteten nach dem Yin-Anhänger. »Sie war die Eine, Mae. Es wird keine Zweite geben, es ist vorbei. Vorbei. Verstehst du?« Konrad sprach jedes seiner letzten Worte extra laut und deutlich aus, als würde er mit einer Minderbemittelten reden. Dann drehte er sich um und stapfte durch die Regenpfützen.
    Bestürzt blieb ich im prasselnden Regen stehen.

Der Geburtstag
    Pfingstmontag, 12. Mai 2008 (11 Uhr 01)
    Liebes Tagebuch
,
    heute ist Vios Geburtstag. Sie wäre heute 19 Jahre alt geworden. Es ist das erste Mal, dass ich nicht mit ihr feiern kann. Irgendwie kann ich es immer noch nicht fassen. Ich sitze im Moment auf meinem Balkon und in dem Baum vor mir veranstalten die kleinen Vögel einer Spatzenfamilie ein Höllenspektakel in ihrem Nest. Die Vogeleltern können gar nicht so schnell nach Würmern picken, wie die Kleinen ihre Schnäbel aufreissen. Alles um mich herum erwacht zum Leben, steht in schönster Blüte, aber Vio ist tot. Ich muss mich immer noch zusammenreißen, nicht ständig in Tränen auszubrechen. Obschon so viele Tränen geflossen sind, kann ich einfach nicht aufhören zu weinen und zu trauern. Wir reden jeden Tag über Vio, meine Familie, die Leute aus der Schule. Ihre Eltern sind häufig bei uns zu Besuch. Was sagt man Eltern, die ihr einziges Kind verloren haben? Sein eigenes Kind zu Grabe tragen erscheint mir absolut falsch, die Reihenfolge stimmt einfach nicht. Auch Aufmunterungen, dass alles schon wieder gut werden wird, sind da völlig fehl am Platze. Leider kann es nicht mehr gut werden, es bleibt nur der Versuch mit Vios Tod weiterzuleben, sie als einen ganz besonderen Menschen in Erinnerung zu behalten. Vio, du wirst immer meine beste Freundin bleiben. Hätte ich mir je eine Schwester wünschen dürfen, sie wäre so wie du gewesen. Die letzten Tage waren furchtbar. Ich konzentriere mich im Moment mit aller Macht darauf, nicht völlig durchzudrehen. Deswegenschreibe ich auch. Meine Gedanken still zu Papier zu bringen, ohne mich zu unterhalten, das gibt mir ein Gefühl der Sicherheit. Niemand stellt Fragen dabei oder wirft Überlegungen ein, mit denen ich mich auseinandersetzen müsste. Die Notizen in meinem Tagebuch sind scheinbar etwas Normales, obwohl gerade nicht viel normal ist. Wenn ich mir meine letzten Tagebucheinträge durchlese, dann wünsche ich mir so sehr die Zeit zurück, in der ich die letzten Dinge schrieb. Zu dem Zeitpunkt lebte Vio noch, ich hätte jederzeit einfach zu ihr in die Garage gehen können. Nicht wie jetzt. Jetzt muss ich sie auf dem Friedhof besuchen. Die vergangenen Tage in der Schule erschienen mir komplett sinnlos. Der Unterricht zog an mir vorbei, als wäre ich nicht anwesend. In den Pausen lachte niemand. Einzig und allein Curly ist es zu verdanken, dass ich die Schultage überhaupt überstand. Immer wenn sie bei mir war, ging es mir besser, als würde sie eine Last von meinem Herzen nehmen, die Personifizierung einer Lavendelpflanze sozusagen. Sam und Konrad kapseln sich seit der Beerdigung ab. Wobei ich eher das Gefühl habe, Konrad kapselt sich ab und Sam will ihn nur nicht alleine lassen. In der Cafete, im Unterricht und in den Pausen sah ich sie nur aus der Ferne, sie blieben unter sich, nur Curly saß öfters bei ihnen. Von ihr habe ich auch erfahren, dass Konrad vorübergehend bei ihnen eingezogen ist. Frau von Bingen kümmert sich besonders um ihn, gibt ihm Halt und scheint auch so etwas wie ein Mutterersatz zu sein. Die Veränderungen sind übrigens immer noch da. Bislang habe ich mich noch nicht getraut mit jemanden darüber zu reden, um nicht als Vollfreak da zustehen, aber ich habe Augen im Kopf und ich sehe, dass er

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