Eulenspiegel
kommst du bitte mal?« Van Appeldorn schaute um die Ecke.
In der Herrentoilette waren an der rechten Seite drei Pissoirs, zwei Waschbecken mit Spiegeln gegenüber vom Eingang und links drei mit Türen abgeschlossene Sitzklos. Alle Wände, bis auf die zum Saal, bestanden aus Zeltbahn, die am Dach und am Boden mit Ösen versehen und mit dicker Schnur festgezurrt war.
»Da haben wir den zweiten Ausgang«, meinte van Appeldorn. »Man braucht nur ein scharfes Messer, und schon ist man draußen.«
Toppe öffnete die Türen zu den Kabinen. »Nur daß hier leider weit und breit kein Schnitt im Zelt zu sehen ist.« Er winkte ab. »Ich weiß schon, das wäre der Notnagel gewesen, falls die Geschichte in die Hose gegangen wäre. Ist sie aber nicht, und deshalb konnte der Täter in dem allgemeinen Tohuwabohu ganz einfach durch die Tür verschwinden.«
»Eben.« Van Appeldorn blinzelte sich eine lange Haarsträhne aus dem Auge. »Wo bleiben eigentlich unsere zwei Taxifahrer?«
»Gute Frage.« Toppe öffnete die Tür.
Die beiden Polizisten standen beim Kulturdezernenten und plauderten.
Schuster entschuldigte sich bei Jansen mit einer kleinen Kopfbewegung und wandte sich Toppe zu. »Grüß Sie! Ist ja auch nicht die Regel, daß unsereins mal der Kripo zur Hand gehen kann.«
Van Appeldorn schob sich an Toppe vorbei und betrachtete den Blonden wie ein biologisches Präparat. Schumacher fing an, auf den Absätzen zu wippen.
Toppe bemühte sich: »Folgender Hergang ist uns berichtet worden.« Er betete die unliebsame Geschichte herunter. »Können Sie das so bestätigen?«
»Ja«, antwortete Schuster. »Ich würde sagen, das haben Sie sehr gut zusammengefaßt. Genauso war es. Und natürlich haben wir beide.«
»Natürlich habt ihr beide sofort die Toiletten durchsucht«, fiel ihm van Appeldorn ins Wort.
»Wie?« staunte Schumacher. »Wieso das denn? Nein.«
Schuster hatte schneller begriffen. »Entschuldigen Sie mal, wir haben uns absolut korrekt verhalten! Da war eine hilflose Person, um die wir uns unverzüglich zu kümmern hatten. Und zwar in der uns angewiesenen, üblichen Weise.«
»In der üblichen Weise?« Toppe hätte dem Schönling liebend gern in den Hintern getreten. »Üblich wäre gewesen, sofort den Notarzt zu rufen.«
Aber damit war Schumacher gar nicht einverstanden. »Den Notarzt? Das ist doch wohl Quatsch. Der Birkenhauer war doch voll da. Wir haben nur Zeit sparen wollen, und Geld. Quasi haben wir allen einen Gefallen getan, daß wir ihn selbst mitgenommen haben.«
Van Appeldorn hatte den Blick weiter auf Schuster geheftet. »Habe ich das Ihren Aufzeichnungen richtig entnommen: Sie wußten, wer Birkenhauer war? Sie wußten, daß er einen Preis bekommen würde, daß eine Ehrung anstand?«
»Absolut korrekt«, antwortete Schuster und schob die Hände in die Hosentaschen.
»Und Sie haben gesehen, wie er ganz normal und unauffällig zur Toilette gegangen ist.«
»Richtig!«
»Und dann hat es euch nicht stutzig gemacht, daß dieser honorige, völlig normale Bürger zehn Minuten später stockbesoffen mit Iroschnitt und Schleife um den Schniedel wieder auftaucht?«
Schuster blickte sanftmütig. »Ach Gott, Herr Kommissar, wenn man aus Düsseldorf kommt … Wir haben über die Jahre Sachen gesehen, da macht man sich hier gar kein Bild von. Echte Psychopathen, und das Tag für Tag.«
»Psychopathen?« meinte Toppe gedehnt. »Haben Sie nicht gerade noch erzählt, daß Birkenhauer sich ganz normal verhalten hat?«
Aber Schuster lächelte. »Herr Toppe, Sie und ich, können wir etwa beurteilen, wer bekloppt ist und wer nicht? Ich bin doch kein Psychiater.«
Toppe hielt an sich. »Als Birkenhauer zur Toilette ging, hatte er da eine Schnapsflasche dabei?«
»Nein.«
»Waren Birkenhauers Taschen ausgebeult? Hätte er eine Flasche versteckt haben können?«
»Nein, aber auf dem Klo …«
»Ach, Sie meinen, er könnte den Schnaps auf dem Klo versteckt haben.«
Schuster glotzte ihn an.
Van Appeldorn seufzte vernehmlich.
»Gut, also«, fuhr Toppe fort. »Sie haben auf jeden Fall den Toilettenraum nicht kontrolliert.«
Trotziges Schweigen.
»Düsseldorf, he?« schnaubte van Appeldorn. »Zeig mir doch mal den Düsseldorfer Polizeibericht, wo ein angesehener Bürger aufs Klo geht, sich einen exakten Haarschnitt verpaßt, sich dann innerhalb von ein paar Minuten bis zur Bewußtlosigkeit besäuft und von nichts auf gleich zum psychopathischen Exhibitionisten wird, der sich eine Schleife um den Schwanz bindet
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