Eulenspiegel
finde ich Fingerspuren.«
Toppe nickte geistesabwesend und ging hinaus. Erst als er schon vor Meinhards Büro stand, merkte er, daß er immer noch die Handschuhe trug. Er pulte sie von den Fingern und stopfte sie in die Hosentaschen.
Charlotte Meinhard war heute leger in Jeans und Seidenpulli, aber ihre entspannte Miene wurde schlagartig streng, als Toppe hereinkam.
»Was wollen Sie denn hier?«
»Darf ich mich setzen?«
Ihre Handbewegung in Richtung Stuhl war keine Einladung.
Er setzte sich bequem, schlug lässig die Beine übereinander, kam sich dann aber sofort albern vor. Es war zu billig, sich auf ihr Spiel einzulassen, außerdem half es keinem. Sein Bericht war dann sachlich und knapp auf die Fakten beschränkt.
Daß ihr der Mund nicht offenstand, war auch schon alles. »Das ist doch wohl ein Scherz! Es muß sich um einen Witzbold handeln.«
»Ein Witzbold, der fünfzigtausend Mark verschenkt? Ach kommen Sie, Frau Meinhard, lassen Sie uns endlich normal miteinander reden. Wir sind beide vom Fach, wir wissen, was das eigentlich nur bedeuten kann: Eulenspiegel ist ein Einzeltäter. Was auch immer sein Motiv sein mag. Durch unsere Ermittlungen sind wir der Russenmafia in die Quere gekommen, und darauf sind die nicht scharf. Die wollen weiter ihre Geschäfte machen, und deshalb muß Eulenspiegel endlich von der Bildfläche verschwinden.«
Die Kämpfe, die sie mit sich austrug, standen ihr ins Gesicht geschrieben, aber die letzte Kurve kriegte sie dann doch nicht. »Und wie paßt, bitte schön, der Postraub in Ihr Modell?«
Er gab es auf. »Der Postraub ist für mich bis jetzt nur eine Kopie von dem Raub in Dormagen. Und zwar eine schlechte. Was hätten die Täter zum Beispiel gemacht, wenn der Postfahrer einfach zurückgesetzt hätte? Wollen Sie meine persönliche Meinung hören? Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Postraub und den Attentaten.«
»Gibt es also nicht? Und was ist mit dem Isolierband?«
Toppe stand auf. »Ja, ich weiß, das ist noch eine Schwachstelle.«
»Und wenn der Postraub eine Kopie ist«, fuhr sie unbarmherzig fort, »waren es dieselben Täter, nur nachlässiger? Oder hat jemand anderes von dem Raub in Dormagen gehört? Wer?«
»Gute Fragen«, bestätigte Toppe. »Daran arbeite ich noch.«
»Sie arbeiten an gar nichts, wenn ich Sie erinnern dürfte.«
Toppe hob in gespielter Demut die Hände, wandte sich zur Tür und lief in van Gemmern hinein.
»Ich habe Fingerspuren auf dem Briefbogen gefunden, alle von derselben Person, identisch mit einem Abdruck auf der Briefmarke. Wenn Sie gleich mitkommen, können wir uns zusammen um den Abgleich kümmern. Möglich, daß wir etwas in der Kartei finden.«
Toppe fletschte die Zähne. »Haben Sie’s vergessen, Klaus? Ich arbeite nicht. Ich gehe nach Hause und warte auf Briefbomben und Kunstschützen. Schönen Tag noch.«
Am Freitag mittag um kurz nach zwölf, als die erste Sicherheitsschicht sich gerade auf den Weg gemacht hatte, rief ein Mann beim K 1 an. »Ich hätte gern die junge Kommissarin gesprochen.«
»Frau Steendijk?« fragte Heinrichs. »Die ist im Augenblick leider nicht hier, aber vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
»Weiß ich nicht. Sie hat gesagt, daß ich mich bei ihr melden soll.«
Heinrichs setzte sich aufrecht. »Sind Sie Herr op den Hoek?«
»Ganz recht.« Es klang ein bißchen verwundert. »Und wann kann ich die junge Frau erreichen?«
»Sie ist gerade auf dem Weg nach Moyland, aber bitte, erzählen Sie mir, was los ist. Wir arbeiten hier alle gemeinsam an der Sache. Haben Sie einen Anruf gekriegt?«
»Ja, genau. Vor zehn Minuten hat mich eine Zeitung angerufen. Die wollen ein Interview mit mir machen, morgen früh um zehn, also eine Stunde vor dem Festakt. Draußen im Park, beim Laubengang.«
»Welche Zeitung war es denn?«
»Das habe ich leider nicht verstanden.«
»War der Anrufer ein Mann?«
»Ja, doch, es war ein Mann. Und ich habe so getan, als wäre alles normal. Ich habe dem Interview zugestimmt. Ich hoffe, das war richtig.«
»Das war goldrichtig, Herr op den Hoek. Und machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Frau Steendijk benachrichtigen. Sie kann Ihnen dann gleich erzählen, wie wir vorgehen wollen.«
»Ich mache mir keine Sorgen. Dazu habe ich gar keine Zeit. Wenn Ihre Kollegin nicht so reizend wäre, hätte ich diese obskure Geschichte wahrscheinlich längst vergessen. Adieu!«
22
Astrid war nervös.
Schon lange bevor es Zeit wurde loszufahren, saß sie in Festmontur bei Toppe im
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