Eulenspiegel
nichts mehr sicher.«
»Na, nun rede schon. Ich warte seit Wochen darauf.«
Und obwohl er es gar nicht wollte, erzählte Toppe, wie es ihm ging und redete sich immer tiefer in seinen Frust hinein. »Aber das kannst du vermutlich nicht nachvollziehen«, endete er müde.
»So, kann ich nicht?« sagte Bonhoeffer barsch. »Denkst du tatsächlich, bei mir liefe das anders? Guck dir doch mal die neue Generation von Verwaltungschefs an, die sich jetzt überall an den Krankenhäusern breit macht. Ach was, neu, die sitzen schon ein paar Jahre auf ihren Posten, aber so langsam fängt die verbrannte Erde, die sie auf Schritt und Tritt hinterlassen, an zu stinken. Tipp mich an, und ich halte dir auf der Stelle einen von diesen hohlen Pseudovorträgen über Qualitätsmanagement und Standardsicherung. Obwohl ich mich nach Kräften bemühen müßte, nicht zu kotzen. Diese ganzen Möchtegern-Manager: alles nur schlecht verkleidete Diktatoren: Das Team bin ich! Begrenzt, fixiert auf ihren kleinen Blickwinkel, ausgebildet, doch ohne jegliche humanistische Bildung, dafür aber mit viel Macht, die ihnen zu Kopf steigt.«
»Arend!« Toppe blieb die Spucke weg. »Ich habe noch nie erlebt, daß du dich wirklich mal aufregst.«
»Ich rege mich auch höchst selten auf, weil es sich nicht lohnt. Aber so langsam habe ich die Nase gestrichen voll. Was in diesem Land abgeht, ist aberwitzig!«
»Na ja«, meinte Toppe, »aber du bist wenigstens Chefarzt. Du bestimmt noch selbst, wo’s langgeht, wie deine Abteilung laufen soll.«
»Schön wär’s.« Bonhoeffer lachte bitter auf. »Chef? Abteilungsleiter bin ich und genauso eine Marionette wie du. Kleine Abteilungen wie meine sollen jetzt ausgelagert werden. Das unternehmerische Risiko sollen wir jetzt selbst tragen, auch für notwendige Investitionen sind wir zuständig, aber unsere Gewinne werden weiterhin ans Haus abgeführt.« Er trank einen Schluck. »Du siehst, mir geht es auch nicht besser.«
Toppe nickte. »Was mich am meisten fertig macht, ist dieser bekloppte Ansatz. Guck dir an, was an den Schulen passiert. Die sollen jetzt funktionieren wie Wirtschaftsunternehmen. Daß es da vielleicht auch um Pädagogik geht, um Kinder, das interessiert nicht mehr. Das ist nur hinderlich. Und bei dir im Krankenhaus scheint’s ja nicht besser zu sein. Es gibt einfach Bereiche, die lassen sich nicht funktionalisieren und automatisieren, nämlich die, in denen es um Menschen geht.«
»Wie in deinem Beruf auch«, bestätigte Bonhoeffer. »Und wenn du den Mund aufmachst, rennst du gegen Beton wände.«
»Was ist das denn hier?« Lowenstijn stand da mit Karin Hetzel im Arm. Er hatte seine Tweedjacke gegen einen weichen irischen Pullover vertauscht. »So eine Art Klagemauer?«
Toppe und Bonhoeffer grinsten nur und prosteten ihm wie auf Kommando zu.
»Was ich dich eigentlich fragen wollte, Helmut, du bist doch, wenn man es so nennen will, im Urlaub. Ich brauche Hilfe.«
Lowenstijn hatte endlich ein passendes Haus gefunden, eine Jugendstilvilla in Hochelten. Sie wurde gerade renoviert, und er wollte bald einziehen. »Ich brauche dann einen kräftigen Mann zum Möbelschleppen.«
»Klar, mach ich gern. Du mußt nur anrufen. Wirst du weiter in Nimwegen arbeiten?«
»Ich weiß noch nicht«, meinte Lowenstijn und spielte an Karins Halskette herum. »Kann sein, daß ich bald auf Privatier mache. Kleinere Ermittlungen für reiche Bonzen.«
Karin legte ihre Hand um die Kette und zog sie vorsichtig weg. »Mich kannst du auch anrufen, wenn du Hilfe brauchst. Ein holländischer Millionenerbe in einer Villa in Elten mit einem englischen Butler. Da könnte man eine gute Geschichte draus machen.«
»Ich rufe dich bestimmt an, wenn ich Hilfe brauche.« Lowenstijn sah ihr tief in die Augen.
21
Die Zeit der Krisensitzungen brach an.
Die Chefin hatte in Düsseldorf kein Glück gehabt. Ihr Argument, es sei widersinnig, für viel Geld eine Modellbehörde einzurichten, die über alle Möglichkeiten verfügte, und ihr dann den ersten großen Fall gleich wegzunehmen, war abgeschmettert worden: In Kleve würde es wohl kaum noch etwas zu ermitteln geben.
Zurück im Präsidium machte sie ihrem Ärger darüber erst einmal gehörig Luft und stieg damit beträchtlich in van Appeldorns Achtung, sie wurde ihm richtig sympathisch – auch er war schon immer ein schlechter Verlierer gewesen.
Er hatte fest mit ihrem Widerstand gerechnet, was seine Pläne für Moyland anging, aber jetzt trat das genaue Gegenteil ein:
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