Eulenspiegel
Zimmer und wartete. Ihr Haar hatte sie hochgesteckt; sie sah sehr damenhaft aus.
»Mußt du wirklich unbedingt hinkommen?« maulte sie.
Toppe hatte Mühe mit seinem Krawattenknoten und antwortete nicht.
»Ich hab Angst um dich, verdammt!«
»Mußt du nicht. Denk doch mal logisch. Eulenspiegel rechnet doch gar nicht mit meiner Anwesenheit. Und außerdem geht ihr doch davon aus, daß er es auf op den Hoek abgesehen hat.«
»Ach«, meinte sie nur wegwerfend. »Wie willst du überhaupt reinkommen? Karten für den Innenbereich haben nur die Promis.«
»Und die Presse«, grinste Toppe und clippte sich ein in Folie geschweißtes Kärtchen ans Revers. »Karin hat mir einen Presseausweis besorgt. Was ist eigentlich mit dem gemeinen Volk?«
»Für die Normalbürger sind auf den Wiesen vor dem Park zwei gigantische Videowände aufgebaut. Der Festakt und die Reden werden live übertragen. Erst ab morgen ist das Museum für normale Besucher geöffnet.«
»Wie geschickt«, brummte Toppe. »Zurück zur Klassengesellschaft! Das dürfte böses Blut geben. Wer denkt sich so einen Schwachsinn aus?«
»Ich find’s auch mies«, meinte Astrid achselzuckend, »aber uns kommt das sehr gelegen. Alles ein bißchen übersichtlicher.«
»Und was wird mit den Leuten vom Festzug. Sollten da nicht Schützenbruderschaften und Reitervereine aufmarschieren?«
»Die dürfen auch nicht rein, aber für die gibt es auf den Wiesen ein Freigetränk, so weit ich weiß.«
Toppe schüttelte nur den Kopf. »Laß mich noch mal einen Blick auf deinen Plan werfen.«
Astrid faltete die Zeichnung vom Schloßpark auseinander.
Der Platz für das Interview war mit einem roten Punkt markiert. Bei den Büschen rundherum, den Vorsprüngen der Schloßmauern waren Kürzel eingetragen. Toppe zeigte auf den Busch, der dem roten Punkt am nächsten war.
»S. S. – wer soll das sein?«
»Schuster und Schumacher.«
»Diese Pfeifen? Dann ändere das doch lieber gleich in SOS. Wie konntest du das zulassen? Du bist doch im Krisenstab.«
»Flintrop ist für den äußeren Bereich zuständig, und der hält die beiden für fähige Leute. Sie schießen auch am besten.«
»Fragt sich nur, auf wen. Die sind doch viel zu jung. An so eine exponierte Stelle gehört Flintrop selbst, zum Beispiel.«
»Der Krisenstab ist nur für die Koordination zuständig.«
Er sah sie lange an. »Und so was macht ihr mit?«
»Mehr oder weniger, leider … Ich fahre jetzt los. Ich hab keine Ruhe mehr.«
Toppe rollte langsam am Festaufzug vorbei, der sich gerade formierte, an geschmückten Pferden und Kutschen und kostümierten Menschen.
Ein paarmal mußte er den Schupos seinen Presseausweis zeigen, aber die meisten erkannten den Kommissar und winkten ihn durch.
Auf dem Museumsparkplatz stand ein großer Ü-Wagen vom WDR, mehrere andere Fernsehteams liefen herum und sammelten erste Eindrücke.
Am Schloß wimmelte es nur so von elegant gekleideten Leuten. Toppe grüßte immer wieder, stutzte einige Male, weil er manche auf den ersten Blick nicht einordnen konnte. Viele Kollegen kannte er nur in Uniform.
Astrid stand auf der Brücke über den Burggraben und gab, wie er an ihren Gesten erkennen konnte, Anweisungen. Schwarzbefrackte schlugen sich ins Gebüsch, verschwanden unterhalb der Brücke.
Im Innenhof waren Tribünen und Rednerpult aufgebaut.
Vierzehn Minuten vor zehn. Ein quirliger, altersloser Karrottenkopf schob sich ins Bild, sprach mit Astrid, nickte. Das mußte op den Hoek sein.
Am rechten vorderen Turm wurde im zweiten Stock ein Fenster geöffnet, und van Appeldorn schaute heraus.
Eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben hielt an der rechten Vorburg. Drei Männer in dunkelblauen Anzügen, die sich im Bereich der linken Brust mächtig vorwölbten, sprangen heraus und liefen in den Park. Das waren wohl die Sicherheitsleute aus Düsseldorf.
Endlich entdeckte er Ackermann. Er stand hoch oben auf der Eingangstreppe im Innenhof und winkte wie verrückt, als er Toppe jetzt sah. Na, dann los!
Ackermann hatte ein wirklich großartiges Versteck ausgemacht: Das Kunstwerk stand keine zwanzig Meter vom Interviewplatz entfernt, ein riesiger, blau lackierter Hirsch aus Metall. Ein trojanischer offenbar, denn Toppe und Ackermann fanden bequem Platz in den hohlen Vorder- und Hinterbeinen.
»Machen Se bloß nix kaputt, Chef«, flüsterte Ackermann in seiner üblichen Lautstärke. »Ich hab dat hier nämlich von niemand genehmigen lassen.«
Toppe lachte leise und sah sich um.
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