Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
der Irak-Frage ihre Solidarität mit den USA gezeigt hatten, trugen zur weiteren Polarisierung bei.
Viele weitere Fragen stellen sich. Wie soll Frankreich mit dem Nein der Bevölkerung im Verfassungsreferendum am 29. Mai 2005 umgehen, das seitdem den Ratifizierungsprozess der Verfassung blockiert? Wird das Europa der 25 regierbar sein? Die alte Streitfrage Vertiefung/Erweiterung ist jetzt überholt, da die Erweiterung sich zunächst durchgesetzt hat. Frankreich hatte die umgekehrte Reihenfolge favorisiert. Kann die EU mit den neuen wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen der Erweiterung fertig werden? Wird das »alte« Europa der 15 mit einer starken Migration aus dem Osten konfrontiert? Welche Konsequenzen hat dies für den Arbeitsmarkt? Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verstärkt die Unsicherheit, wobei viele Argumente für die Aufnahme der Türkei auch sachlich diskutiert werden. Besteht bei einer Aufnahme der Türkei nicht die Gefahr, dass aus der Europäischen Union eine große Freihandelszone und damit ein Fass ohne Boden wird?
3. Eine zunehmende Integration
Ohne auf seine Identität und auf seine vielen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Besonderheiten zu verzichten, kann Frankreich sein Schicksal nicht mehr von dem der Europäischen Union trennen. Mit der Einführung des Euro hat diese gegenseitige Interdependenz eher zugenommen. Die Anpassung im wirtschaftlichen Bereich ist beachtlich, wenn auch vieles noch zu leisten ist. Im sozialen Bereich wird der Prozess der Integration zum Teil schmerzliche Veränderungen erfordern, eine weitere Zunahme der Ungleichheiten wäre hier aber sehr gefährlich. Mit der ständigen Verlagerung der Kompetenzen von der nationalen auf die europäische Ebene ist eine echte Komplementarität zwischen dem Nationalstaat und der EU entstanden. Die Dezentralisierung hat Frankreich zwar forciert, aber im europäischen Vergleich ist sein Verwaltungsaufbau zu kompliziert. Die Zahl der Regionen ist noch zu groß, als dass diese autonome und effiziente Akteure in der Europäischen Union wären oder sein könnten. Das Gleichgewicht zwischen Regionen, Nationalstaat und Europäischer Union muss noch gefunden werden. Dafür wäre eine europäische Verfassung mit föderaler Ordnung nötig gewesen. Eine wenig zumutbare Perspektive für Frankreich.
Weiterführende Literatur
BOSSUAT, GERARD (Hrsg.): Dictionnaire historique de l’unite europeenne, Bruxelles, 2002. ☐ DEUTSCH-FRANZÖSISCHES INSTITUT LUDWIGSBURG (Hrsg.): Frankreich Jahrbuch. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Opladen (seit 1988). ☐ DUHAMEL, OLIVIER: Pour l’Europe, Paris 2003. ☐ GISCARD D’ES-TAING, VALERY: La constitution pour l’Europe, Paris 2003. ☐ GROSSE, ERNST ULRICH/HEINZ-HELMUT LÜGER: Frankreich verstehen: Eine Einführung mit Vergleichen zu Deutschland, Darmstadt 1996. ☐ GRUNER, WOLF D./KLAUS-JÜRGEN MÜLLER (Hrsg.): Über Frankreich nach Europa. Frankreich in Geschichte und Gegenwart, Hamburg 1996. ☐ guigou, elisabeth: Je vous parle d’Europe, Paris 2004. ☐ jardin, pierre/adolf kimmel (Hrsg.): Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1963 – eine Dokumentation, Opladen 2002. ☐ KOCHER, RENATE/JOACHIM SCHILD (Hrsg.): Wertewandel in Deutschland und Frankreich. Nationale Unterschiede und Europäische Gemeinsamkeiten, Opladen 1993. ☐ kolboom, ingo/ edward reichel/thomas kotschi (Hrsg.): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft, Berlin 2002. ☐ LAPPENKÜPER, ULRICH: Die deutsch-französischen Beziehungen 1949 – 1963, München 2001. ☐ LASSERRE, RENE/JOACHIM SCHILD/HENRIK UTERWEDDE: Frankreich – Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Opladen 1997. ☐ LEQUESNE, CHRISTIAN: Paris-Bruxelles. Comment se fait la politique europeenne de la France?, Paris 1993. ☐ WEISENFELD, ERNST: Geschichte Frankreichs seit 1945. Von de Gaulle bis zur Gegenwart, München 1997.
D WIELGOß, TANJA: PS und SPD im europäischen Integrationsprozess, 1989 bis 2001, Baden-Baden 2002. ☐ WOYKE, WICHARD: Die deutsch-französischen Beziehungen seit der Wiedervereinigung, Opladen 2000. ☐ ZIBURA, GILBERT: Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1945, Stuttgart 1997.
Heinz-Jürgen Axt
Griechenland
Griechenland hat in den vergangenen Jahrzehnten eine dynamische Entwicklung vollzogen. Die Demokratie wurde nach dem Ende der Militärjunta 1974 – nicht zuletzt auch durch den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft (1981) – wieder gefestigt,
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