Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
Entscheidungsbedarf sprunghaft ansteigen. Die Kompetenzausstattung der Gemeinschaft muss angepasst werden: Währungsunion, Umweltkompetenz, Außenpolitik, innere und äußere Sicherheit kommen als neue Aufgabenbereiche hinzu. Auch die institutionelle Ausgestaltung der Gemeinschaft bedarf der Modernisierung: eine effiziente politische Führungsinstanz, ein transparenter kontrollierender Parlamentarismus, ein machtteilender Föderalismus.
Die Gemeinschaft stellt sich diesen Anforderungen in zwei Regierungskonferenzen zur Währungsunion und zum institutionellen Ausbau der Gemeinschaft, die in Maastricht am 9. und 10. Dezember 1991 ihren Abschluss finden. Am 7. Februar 1992 wird dort der Vertrag über die Europäische Union, der als die bis dato umfassendste Reform der Römischen Verträge
gilt, beschlossen und unterzeichnet. Gleichzeitig einigen sich die Zwölf darauf, bereits 1996 den Vertrag auf Notwendigkeiten zur Revision zu überprüfen.
Der Gipfel von Maastricht beschließt die Schaffung einer Unionsbürgerschaft, die verstärkte Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik, vor allem aber den Ausbau der Kompetenzen des Europäischen Parlamentes: Nunmehr muss jede neu eingesetzte Kommission vom Parlament bestätigt werden. Die Amtsperioden von Parlament und Kommission werden angeglichen. Ferner erhält das Parlament Untersuchungs- und Petitionsrechte. Im Rahmen der gemeinschaftlichen Gesetzgebung werden dem Parlament für die Bereiche Binnenmarkt, Verbraucherschutz, Umwelt und gesamteuropäische Verkehrsnetze Mitentscheidungskompetenzen eingeräumt. Ferner werden die Voraussetzungen geschaffen, der europäischen Außen-und Sicherheitspolitik eine neue Qualität zu geben: Die Mitglieder übernehmen die Verpflichtung, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in allen Bereichen zu entwickeln. Auf der Grundlage einstimmiger Ministerratsbeschlüsse können die daraus folgenden Aktionen nunmehr mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Damit geht die Europäische Gemeinschaft erstmals in der Außen- und Sicherheitspolitik vom Prinzip der Einstimmigkeit ab. In der Sicherheitspolitik wird die Westeuropäische Union (WEU) in eine neue Rolle gerückt. Sie wird zugleich Bestandteil der Europäischen Union und der Atlantischen Allianz.
Der entscheidende Schritt gelingt der Gemeinschaft jedoch in der Fortentwicklung der Währungspolitik. 15 Die Währungsunion und mit ihr die Europäische Zentralbank stehen wieder auf der europapolitischen Tagesordnung. Der 1989 vorgelegte Bericht des Delors-Ausschusses bildet den Eckpfeiler in der europapolitischen Debatte über die Währungsunion. Kernstück des Delors-Konzeptes ist der Entwurf eines Dreistufenplanes für die Verwirklichung der WWU.
Am 1. Januar 1994 beginnt die zweite Stufe mit dem Ziel, möglichst viele EU-Mitglieder für die Endstufe zu qualifizieren und die Vorarbeiten zur Errichtung einer Europäischen Zentralbank zu erbringen. Als Kriterien für den Eintritt in die letzte Stufe werden festgelegt: Preisstabilität, Haushaltsdisziplin, Konvergenz der Zinssätze und Teilnahme am Europäischen Währungssystem. Ende 1996 zeigt sich, dass eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die Voraussetzungen noch nicht erfüllt. Der Beginn der Endstufe verschiebt sich damit automatisch auf den 1. Januar 1999 für all diejenigen EU-Staaten, die bis zum Mai 1998 den Anforderungen entsprechen. Hinter der Debatte um den Euro steht für die Europäer dramatischer als je zuvor die Frage nach ihrer Identität. In Zeiten, in denen existenzielle Bedrohungen
von außen keinen elementaren Kitt mehr für das geeinte Europa liefern, geht es um das friedliche Bindemittel: die Währung. Die Währung ist die ebenso symbolische wie alltäglich-praktische Bindung, die künftig das Aufeinanderangewiesensein der Europäer sinnfällig erfahren lassen kann. Der Euro wird zur Münze der Identität.
Angesichts solch bahnbrechender Umwälzungen im Gefüge der Gemeinschaft erweist sich die Ratifizierung des Maastrichter Vertrages innerhalb der EG-Mitgliedstaaten als mühsamer und langwieriger als erwartet. In Dänemark, Irland und Frankreich gibt es Volksentscheide über den Unionsvertrag. Während sich Irland und Frankreich für das Vertragswerk entscheiden, führt die Abstimmung in Dänemark zu einer Krise: 50,7 Prozent der Wahlberechtigten stimmen gegen die Beschlüsse von Maastricht und drohen die darin enthaltenen wichtigen Reformen zu blockieren. 1992 – das magische Jahr der
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