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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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Binnenmarkt-Vollendung – wird zum Wechselbad der Gefühle. Zwar kann das Nein der Dänen nach Zugeständnissen in ein Ja umgewandelt werden, aber die geradezu mythologische Undurchschaubarkeit des Vertrages über die Europäische Union bestimmt auch in der Folge die zähen Debatten, vor allem in Großbritannien und in der Bundesrepublik Deutschland. Nachdem das britische Parlament endlich zustimmt und in Deutschland die eingereichten Verfassungsklagen zurückgewiesen werden, ist die letzte Hürde genommen. Alle Staaten haben das Vertragswerk ratifiziert und ihre Urkunden in Rom hinterlegt. Mit fast einem Jahr Verspätung kann der Vertrag im November 1993 in Kraft treten.
    Für die »Post-Maastricht-Zeit« zeichnen sich zwei Aufgaben der europäischen Integration ab: einerseits die Stärkung der Handlungsfähigkeit durch die Vertiefung der Union und die Intensivierung der bestehenden Politiken, andererseits die Bewältigung der schon vollzogenen und der noch anstehenden Erweiterung des Mitgliederkreises. Der Gipfel von Edinburg gibt im Dezember 1992 erste Signale in diese Richtung: Für die sieben Jahre bis 1999 wird die Finanzierung der Europäischen Gemeinschaft (»Delors-II-Paket«) geregelt. Eine Wachstumsinitiative dient der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Für die Beitrittsverhandlungen mit Österreich, Schweden und Finnland wird grünes Licht gegeben. Wenig später kommt Norwegen dazu, dessen Beitritt jedoch in letzter Minute am ablehnenden Votum der Norweger in einem Referendum scheitert. Zum 1. Januar 1995 erweitert sich der Kreis der Mitgliedstaaten der Europäischen Union somit um Finnland, Österreich und Schweden auf nunmehr 15.
    Mit der Agenda 2000, die vom Europäischen Rat am 26. März 1999 in Berlin verabschiedet wird, entschließen sich die europäischen Staats- und
Regierungschefs, die im Delors-II-Paket eingeleiteten Schritte hin zu einer Vertiefung der Gemeinschaftspolitiken und der Erweiterung der Union weiter zu verfolgen. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Finanzierbarkeit der Gemeinschaft bis 2006 vor allem im Hinblick auf die Osterweiterung. Diese wird mit der Finanziellen Vorausschau 2000 bis 2006 und der Festlegung der Eigenmittelobergrenze auf 1,27 Prozent gewährleistet.
    Was im Zuge der letzten Erweiterung jedoch nicht gelingt, ist eine grundlegende Modernisierung der Institutionen und Entscheidungsstrukturen der Union. Noch immer wird sie mit einem organisatorischen Grundgerüst regiert, das auf die ursprünglichen sechs Mitgliedstaaten zugeschnitten ist. Gleichzeitig verschlechtert sich nach Maastricht das öffentliche Klima für eine große Reform. Besonders der Konvergenzprozess hin zur Währungsunion weckt bei vielen Bürgern Ressentiments und schürt Misstrauen gegen das undurchschaubare Gebilde »Europäische Union«. Eine Unsicherheit über die gemeinsame europäische Identität tritt ein, die durch den Wegfall der alten Blockstrukturen von Ost und West noch verschärft wird. Wie im Reflex besinnen sich die Europäer nun wieder stärker auf das Nationale als auf das Europäische in ihrem Selbstverständnis.
    In diesem Spannungsfeld kann sich die Europapolitik nur zu zögerlichen Schritten durchringen – obwohl der Reformdruck die bisher gewohnten Problemdimensionen deutlich übersteigt: Immerhin muss sich die Europäische Union auf eine Osterweiterung vorbereiten, die ihre Mitgliederzahl auf bis zu 28 Staaten ansteigen lassen kann. In dieser Ausgangslage beginnt die Regierungskonferenz zur Revision des Maastrichter Vertrages. Ihr Verlauf ist geprägt von taktischem Kalkül: Die beteiligten Regierungen warten zunächst ab, wie sich die Dinge – vor allem mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Großbritannien – entwickeln, und so müssen im Endspurt der Verhandlungen die Voraussetzungen für ein effektives Regieren im größeren Europa geschaffen werden.
    Die Analyse der mitgliedstaatlichen Positionen zur Reformagenda deutet bereits frühzeitig auf keinen durchschlagenden Erfolg der Regierungskonferenz hin. Als die Staats- und Regierungschefs am 16. und 17. Juni 1997 zu den abschließenden Verhandlungen zusammentreten, einigen sie sich erwartungsgemäß nur auf einen minimalen gemeinsamen Nenner. Durch die Kontroverse um Beschäftigungspolitik und Stabilitätspakt im Vorfeld des Gipfels wird das eigentliche Ziel der Reform – die Wahrung der Handlungsfähigkeit mit Blick auf die anstehende

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