Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
überproportional großen Anzahl an faulen Krediten zu kämpfen, die größtenteils durch Steuergelder aufgefangen werden mussten.
2.3 Die Außenpolitik und der Integrationsprozess
Mit der Integration in die NATO am 12. März 1999 hat sich für die Tschechische Republik ein Teil der Forderung nach einer »Rückkehr nach Europa« erfüllt. Der Beitritt hat insbesondere zu einem stärkeren Sicherheitsgefühl des Landes beigetragen sowie den tschechischen Beitrag zu internationalen Friedensbemühungen institutionalisiert. 13 Der kurz nach dem Beitritt einsetzende Luftkrieg gegen Jugoslawien löste in Tschechien starke Diskussionen aus und stellte die neuen Bündnisverpflichtungen auf eine harte Probe. Im Zuge des Beitrittes hat sich zwar die Lage der tschechischen Armee (ACR) entscheidend verbessert, doch sind längst nicht alle Probleme gelöst. Bereits im Vorfeld und Verlauf des Irak-Krieges 2003 war Tschechien gemeinsam mit der Slowakei mit einer ABC-Einheit in Kuwait vertreten sowie derzeit mit einem Feldlazarett im britischen Sektor.
Die Integration in die Europäische Union war das Hauptziel tschechischer Außenpolitik. Nach der Spaltung der CSFR musste ein neues Assoziierungsabkommen verhandelt werden, das am 1. Februar 1995 in Kraft
trat. 1996 stellte Premierminister Václav Klaus den offiziellen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU. Beitrittsverhandlungen mit der EU begannen im März 1998. Der Regierungswechsel 1998 hatte eine positive Wirkung auf die Beziehungen zur EU. Im Gegensatz zur EU-skeptischen Klaus-Regierung verfolgt die CSSD einen EU-freundlichen Kurs. Ein im Juni 2003 abgehaltenes Referendum ergab eine Mehrheit von 77 Prozent für den Beitritt (die Beteiligung lag bei 55 Prozent). Jedoch wurde in der öffentlichen Debatte um eine europäische Verfassung der Ruf nach einem erneuten Referendum zur Verfassung in Tschechien laut. Die Regierung hat den Prozess der Rechtsangleichung beschleunigt und die in der Verfassung vorgesehene Regionalisierung im Jahr 2000 vollendet. Demnach ist Tschechien heute in 14 Regionen untergliedert. Seit dem 1. Mai 2004 ist Tschechien Mitglied der Europäischen Union. Jedoch wird ein Beitritt zum Schengener Abkommen und zur Eurozone noch mehrere Jahre der Vorbereitung benötigen.
Die Beziehungen zu Deutschland, dem größten Nachbarn und Handelspartner, sind für Tschechien sehr wichtig. In den 1990er Jahren wurde das Verhältnis von Auseinandersetzungen über historische Ereignisse – der deutschen Besetzung und der darauf folgenden Vertreibung – beherrscht. Mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Willenserklärung im Januar 1997 14 und den sozialdemokratischen Regierungswechseln in Tschechien und Deutschland 1998 schienen sich die Beziehungen zunächst zu verbessern, doch es zeigte sich rasch, dass das Thema Vergangenheitsbewältigung noch immer Zündstoff bietet. Die Beziehungen zu Russland sind von Tschechiens Bestreben geprägt, jegliche wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Russland – selbst um den Preis wirtschaftlicher Nachteile – zu vermeiden. Nach langjährigen unproblematischen Beziehungen gab es auch im Verhältnis zu Österreich in den letzten Jahren Spannungen. Dazu beigetragen hatten der Wahlerfolg der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPO), der die Vertreibung erneut zum Thema machte, sowie das tschechische Beharren auf den Bau des Atomkraftwerkes Temelín . Nachdem sich die Slowakei unter der Mečiar-Regierung 1994 bis 1998 durch ihren innenpolitischen Kurs international isolierte, ist es seit dem sozialdemokratischen Regierungsantritt in Tschechien und einer eindeutig der Demokratie verpflichteten slowakischen Regierung unter Mikuläs Dzurinda erneut zu einer Annäherung gekommen und die Beziehungen gestalten sich heute konfliktfrei. So wurden die verbleibenden bilateralen Probleme des Vermögensausgleiches im Mai 2000 gelöst. Auch die Visegrád -Kooperation wurde wieder belebt, Tschechien übernahm im Sommer 2003 in der Gruppe den Vorsitz von der Slowakei.
3. Ausblick
Mit dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union im Mai 2004 wurde das Hauptziel der tschechischen Außenpolitik, die »Rückkehr nach Europa«, rund 15 Jahre nach der samtenen Revolution vollendet. Dennoch bleiben in der tschechischen Politik euroskeptische Stimmen, insbesondere die des Staatspräsidenten Klaus, erhalten. Es bleibt abzuwarten, wie sich Tschechien als neuer EU-Partner definieren wird.
Bei allen hier gemachten Äußerungen handelt es sich um
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