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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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drei Militärinterventionen (1960, 1971, 1981) unterbrochen wurde. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts haben in der Türkei nachhaltige Veränderungsprozesse eingesetzt, die auch die Perspektiven für die Beziehungen zwischen Ankara und der EU positiv beeinflusst haben. Bereits die im April 1999 an die Macht gekommene säkularistisch-konservative Koalition unter Ministerpräsident Bülent Ecevit hatte Reformen durchgesetzt, die das Land näher an die EU heranführen sollten. Mit den Wahlen vom 3. November 2002 kam es zu einer erdrutschartigen Veränderung der Parteienlandschaft und der Machtverhältnisse in Ankara. Die religiös-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung errang mit 34,2 Prozent der Stimmen nahezu eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Sitze im Parlament. Nur die Republikanische Volkspartei konnte mit 19,3 Prozent die Zehn-Prozent-Hürde überspringen und mit 173 Abgeordneten in die Türkische Nationalversammlung einziehen.
    Bereits im Mai 2001 formulierte die damalige Regierung ein wirtschaftliches Stabilisierungsprogramm, das im Bereich der öffentlichen Finanzen Erfolge bewirkte. Auch wurde mit wichtigen Strukturreformen begonnen. Dazu gehörten die Schaffung gesetzlicher Grundlagen zur Privatisierung von Staatsbetrieben und die Errichtung einer unabhängigen Zentralbank. Auch die eingeleitete Trennung von Politik und dem Management wichtiger Institutionen der Wirtschaft und Finanzen fand nicht zuletzt beim Internationalen Währungsfonds Anerkennung.
    Der Prozess der wirtschaftlichen Stabilisierung war von der Verabschiedung einer Reihe von politischen Reformpaketen begleitet, die erklärtermaßen auf die Erfüllung der »Kopenhagener Kriterien« und damit auf die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen ausgerichtet waren. Darunter befanden sich Gesetze zur Erweiterung der bürgerlichen Freiheiten, zur Verhütung von Folter, zur Gleichstellung der Geschlechter, zur Abschaffung
der Todesstrafe und zur Zulassung von Radio- und Fernsehsendungen in kurdischer Sprache. Im Rahmen des siebten Reformpaketes wurden die Machtbefugnisse des vom Militär dominierten Nationalen Sicherheitsrates eingeschränkt.
2.2 Ankara und die Europäische Gemeinschaft
    Der unmittelbare Anlass für die Türkei, die Assoziierung mit der EWG voranzutreiben, war der Abschluss eines entsprechenden Abkommens mit Griechenland, das zum 1. September 1962 in Kraft trat. Nach zum Teil schwierigen Verhandlungen wurde das Abkommen zum 1. Dezember 1964 wirksam. 1 Damit sollte der letzte Stein in das Gebäude der Eingliederung der Türkei in das westeuropäische Bündnissystem eingefügt werden. Jedoch ist die Geschichte der Beziehungen seit 1963 eine Geschichte nur mäßiger Anstrengungen auf beiden Seiten, das gesteckte Ziel zu erreichen. Erst unter Turgut Özal, der nach dem Ende der Militärdiktatur (September 1980 bis November 1983) türkischer Ministerpräsident wurde, belebten sich die Beziehungen. Sich erneut an den Verhandlungstisch zu setzen war nicht zuletzt deshalb notwendig geworden, da türkische Arbeitnehmer nach Auffassung Ankaras vom 1. Dezember 1986 an das Recht haben sollten, sich freizügig zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der EG zu bewegen. Demgegenüber hatte sich bei einzelnen Gemeinschaftsstaaten mittlerweile eine Veränderung der Interessenlage ergeben, die ihnen eine Öffnung der Grenzen für türkische Arbeitnehmer nicht länger geraten erscheinen ließ. Namentlich die deutsche Regierung widersetzte sich der Implementierung der Abmachungen.
    Als weitere Bemühungen der Türkei um die Fortentwicklung des Assoziierungsverhältnisses nicht zuletzt am wiederholten Veto Griechenlands scheiterten, reichte die türkische Regierung am 14. April 1987 offiziell ihren Antrag auf EG-Vollmitgliedschaft ein. Während der Schritt in der Türkei in weiten Kreisen von Politik und Wirtschaft sowie von Medien und der Öffentlichkeit begrüßt wurde, fiel die Reaktion in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zurückhaltend aus. Am 18. Dezember 1989 veröffentlichte die Kommission der EG in Brüssel ihre Reaktion auf den Antrag. Zwar stellte sie die »grundsätzliche Beitrittsfähigkeit« der Türkei nicht infrage. Ansonsten aber ließ sie keinen Zweifel daran, dass das Land weder politisch noch wirtschaftlich für eine Mitgliedschaft in der EG reif sei. Beide Seiten begannen nunmehr, die Beziehungen auf der Grundlage des Assoziierungsabkommens mit neuem Leben zu füllen.

    Die Verwirklichung der Zollunion bot sich hierfür

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