Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
Ihr Beitrag an finanziellen Mitteln und an Sachleistungen blieb immer vergleichsweise bedeutend größer als derjenige der einzelnen Mitgliedsparteien.
Die besondere Rolle der Fraktionen in und gegenüber den Europäischen Parteien ist nicht zuletzt historisch bedingt. In den Fraktionen versammelten sich frühzeitig die Persönlichkeiten, die über die notwendigen Kenntnisse der europäischen Zusammenhänge verfügten; sie waren es, die ihre Parteiführungen zu Hause von der Bedeutung einer engeren Zusammenarbeit mit den Partnern in den einzelnen Nachbarländern überzeugten; die Initiative zur Gründung der europäischen Parteiformationen ist von ihnen ausgegangen.
Die Europäischen Parteien waren also zunächst einmal Kinder der Fraktionen des Europäischen Parlamentes. Diese Elternschaft hat ihnen von Anfang an einen starken Einfluss auf das Leben ihrer jeweiligen Parteien gesichert. Als Mitbegründer sind sie auch – neben den Mitgliedsparteien – konstitutive Mitglieder der Europäischen Parteien, was nicht zuletzt in der starken Stellung zum Ausdruck kommt, die ihnen die Satzungen einräumen: Vor allem ihre Vertretungs- und Mitwirkungsrechte sind großzügig bemessen.
Die Bedeutung dieser formalen Seite des Verhältnisses zwischen Partei und Fraktion liegt vor allem darin, dass sie die faktischen Beziehungen, die darin bestehen, dass die Europäischen Parteien bei der Realisierung aller ihrer Projekte wesentlich auf die materielle und politische Unterstützung ihrer Fraktionen angewiesen sind, untermauert und rechtfertigt. Die durch die Leistungen der Fraktionen begründete Abhängigkeit der Europäischen Parteien kann problematisch werden, wenn damit eine Instrumentalisierung der Europäischen Parteien im Sinne der Interessenlagen und Bedürfnisse der Fraktionen oder ihrer Führungsgruppen verbunden wird.
4. Ausblick
Im Zuge der Europäisierung des politischen Lebens, insbesondere auch des politischen Lebens innerhalb der nationalen und selbst der regionalen Ordnungen, wird die Tendenz der Unterbewertung des Potenzials, über das die Europäischen Parteien verfügen, gewiss abnehmen. Mehr und mehr werden in Bezug auf schwer wiegende, die Innen- und Gesellschaftspolitik der Mitgliedstaaten belastende Probleme Erwartungen an europäische Lösungen gerichtet. Damit wird sich die Einschätzung von Rolle und Bedeutung der Institutionen der Union wandeln.
4.1 Die Perspektive für die Entwicklung der Europäischen Parteien
Das Europäische Parlament, das im Laufe der letzten Jahrzehnte seine Stellung erheblich ausbauen konnte, hat nicht nur die Möglichkeit, die Sorgen der Bürger unmittelbar aufzunehmen und zum Ausdruck zu bringen; es kann auch, da es mit Mehrheit beschließt, eine deutliche Sprache sprechen und sich – jenseits der Diplomatie – auf konkrete Maßnahmen und Politiken verständigen. Im Zuge der Verfassungsentwicklung der Union, die durch den Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents vorgezeichnet wurde, wird es weiter an Bedeutung und Einfluss gewinnen.
Damit einhergehend und im Bewusstsein, dass hinreichende Antworten auf die Herausforderungen durch die Globalisierung nur gemeinschaftlich, das heißt im Rahmen des politischen Systems und mit Hilfe des Instrumentariums der Europäischen Union, gegeben werden können, wächst auch in der politischen Klasse, vor allem in den nationalen Parlamenten und den nationalen Parteien und schließlich auch in der Öffentlichkeit der Mitgliedstaaten die Einsicht um Sinn und Bedeutung der Europäischen Parteien.
Die Europäisierung des Parteiensystems wird dabei im Rhythmus der Verfassungsentwicklung der Union fortschreiten. Die beiden großen Lager, das sozialdemokratisch oder sozialistisch orientierte und das christlich-demokratisch oder konservativ orientierte, werden auf die ihnen jeweils nahe stehenden Kräfte weiterhin eine erhebliche Attraktion ausüben. Die gemäßigten Kräfte, die von links her zur Mitte tendieren, werden nach und nach in der SPE zusammengefasst werden, und die gemäßigten Kräfte, die von rechts her zur Mitte tendieren, in der EVP.
Das entspricht den Notwendigkeiten der Europapolitik, die eines breiten supranationalen Konsenses bedarf. Nur transnationale Parteien oder Fraktionen, die über eine entsprechend breite gesellschaftliche und kulturelle
Verankerung verfügen, können einen solchen Konsens organisieren. Außerdem liegt die Zusammenfassung der Kräfte auch im Interesse der nationalen Parteien, deren Wähler
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