Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
Europäische Partei, die sich nicht in mehreren Mitgliedstaaten der Union auf nationale Organisationen mit »gleichen Orientierungen und Zielsetzungen« stützen könnte und die nicht in der Lage wäre, die Vertreter ihrer Mitgliedsparteien in einer einzigen Fraktion zusammenzufassen, würde ihren Namen nicht verdienen. Und die im Laufe der 1990er Jahre von allen Europäischen Parteien praktizierte Aufnahme von Parteien aus den Ländern, die der Union noch nicht angehören, ändert nichts an dem Umstand, dass das politische System der Europäischen Union das Aktionsfeld der Europäischen Parteien bleibt.
3.4 Die Mitgliedsparteien und ihre europäische Organisation
Zustand und Entwicklung einer Europäischen Partei sind wesentlich abhängig von der Fähigkeit ihrer nationalen (oder regionalen) Mitgliedsparteien, einen gemeinsamen Willen zu artikulieren, und von ihrer Bereitschaft, gemeinsam zu handeln. Tatsächlich kann eine Europäische Partei nicht mehr sein als das, was ihre Mitgliedsparteien gemeinschaftlich aus ihr machen, und das entspricht nicht unbedingt dem, was einzelne Mitgliedsparteien daraus machen wollen. Die Vorstellungen über das, was eine Europäische Partei sein und leisten soll, gehen in den Mitgliedsparteien auseinander. Man orientiert sich normalerweise an dem, was in der eigenen, nationalen Partei und im eigenen Land an Leitbildern und an europäischem oder transnationalem Bewusstsein vorhanden ist.
Auch unter einer Partei versteht man hier und dort Verschiedenes. Die interne Organisation der Mitgliedsparteien spiegelt einerseits ihre jeweilige Geschichte, andererseits aber auch die Verfassung des Staates wider, in dem sie tätig ist. Zum Beispiel ist es für die Einstellung der Vertreter einer Mitgliedspartei gegenüber ihrer Europäischen Partei relevant, ob sie zu Hause über eine föderale Tradition und Kultur verfügen. Für die Rolle des Vorsitzenden der Partei gibt es ein breites Spektrum an Möglichkeiten: Er kann Geschäftsführer, Moderator, Animateur, Präsident oder Parteichef sein. Und auch die Rolle des Generalsekretärs wird unterschiedlich verstanden: In einigen
Parteien ist er ein Funktionär, ein Administrator oder Organisator, während er in anderen eine politische Führungsaufgabe wahrnimmt.
Aus diesen Gründen können die »real existierenden« Europäischen Parteien nicht dem Idealbild entsprechen, das man sich hier und dort von ihnen macht. Sie entwickeln sich in einem offenen Kräftefeld unter der Einwirkung sehr unterschiedlicher Impulse. Es ist deshalb abwegig, in ihnen die Ebenbilder der nationalen Parteien zu suchen. Zwar geht von allen diesen Vorbildern etwas in die Europäischen Parteien ein, jedoch muss das, was sie charakterisiert, etwas anderes sein.
Dennoch bleibt in den Mitgliedsparteien die Erwartung, dass die Europäischen Parteien nach den jeweils eigenen, aus der nationalen Erfahrung übernommenen Vorstellungen gestaltet werden müssen, mehr oder weniger stark lebendig. Auch besteht vielfach die Neigung, ihre Selbstdarstellung und Leistung nach den heimischen Kriterien zu beurteilen. Damit einher geht die Tendenz, die Europäischen Parteien im Sinne der jeweils aktuellen nationalen Parteiinteressen zu instrumentalisieren oder ihren Wert an dem zu messen, was sie an unmittelbarem Nutzen in bestimmten Situationen versprechen. Das sind Reflexe, die typisch sind für eine Übergangsphase in ein neues politisches System, in dem die neuen Verhaltensweisen noch nicht eingeübt sind und vorerst nur die alten Erfahrungen zur Verfügung stehen.
3.5 Die Probleme der Kommunikation zwischen nationaler und europäischer Ebene
Eines der Hauptprobleme, vor denen die Europäischen Parteien stehen, und zwar sowohl bei ihren Bemühungen, sich durchzusetzen und ihre Rolle zu spielen, wie auch bei der Entwicklung ihrer Organisationen, liegt in den objektiven, strukturell bedingten Schwierigkeiten der Kommunikation zwischen europäischer und nationaler Ebene.
Die Zahl der Politiker und Funktionäre, die auf der europäischen Ebene tätig werden, ist immer noch relativ gering. Die nationalen Parteizentralen sind mit Personal, Instrumenten und finanziellen Mitteln um ein Vielfaches besser ausgestattet als die Sekretariate der Europäischen Parteien, deren mangelhafte Ausstattung eine regelmäßige und umfassende Informations-und Kommunikationsarbeit in den verschiedenen Sprachen gegenüber den Mitgliedsparteien und erst recht gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit
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