Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
Internationalen Bundes freier Gewerkschaften, dem 20 Gewerkschaftsdachverbände aus 17 europäischen Ländern angehörten. Auf die Errichtung der EGKS reagierten sie 1952 mit der Gründung eines Koordinierungsausschusses, des so genannten 21er-Ausschusses, der sektorale
Gewerkschaften des Montanbereiches und die Dachorganisationen der EGKS-Staaten umfasste.
Die EWG-Gründung bewirkte im Bereich aller drei auf internationaler Ebene konkurrierenden Bünde, den kommunistisch, christlich und sozialdemokratisch orientierten freien Gewerkschaften, eine funktional auf die EWG bezogene Reorganisation ihrer Sekretariate.
Die Gründung der EFTA führte ihrerseits zum (losen) Zusammenschluss der entsprechenden nationalen Gewerkschaften im Rahmen des EFTA-Trade Union Congress. Erst die integrationspolitischen Weichenstellungen Anfang der 1970er Jahre, vor allem die Norderweiterung der EG, setzten im Gewerkschaftslager jene Dynamik in Gang, die in mehreren Etappen zur Fusion der territorial getrennten und ideologisch gespaltenen Eurobünde (EWG- und EFTA-Organisationen) unter dem gemeinsamen Dach des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) im Jahre 1972 führte.
Die Organisationsentwicklung im Bereich der Branchen und Industriegewerkschaften führte bis Mitte der 1960er Jahre zur europäischen Reorganisation bereits bestehender internationaler Kooperationsstrukturen bzw. zur Neugründung von neun europäischen Gewerkschaftsausschüssen, deren Zahl bis Ende der 1970er Jahre auf 13 anstieg. Erst Mitte der 1980er Jahre fanden diese Formierungsprozesse im sektoralen Gewerkschaftsbereich ihren Abschluss.
Inzwischen verfügen die derzeit 14 europäischen Gewerkschaftsausschüsse über eigenständige europäische Organisationsformen und Handlungsressourcen und sind seit 1992 als »zweite Säule« im EGB integriert. Die Erweiterung gemeinschaftlicher Tätigkeitsfelder, bzw. die Politisierung gesellschaftlicher Problemfelder, wie etwa im Bereich des Verbraucher- und Umweltschutzes, führten in den 1970er Jahren zur Etablierung weiterer Euroorganisationen. Neben einzelnen Produzentenverbänden wurden in dieser Periode beispielsweise der Europäische Verbraucherverband (BEUC) und 1974 das Europäische Umweltbüro (EEB) gegründet.
Die mit dem Binnenmarktprozess und der Vertragsreform der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einsetzende ökonomisch-politische Integrationsdynamik bewirkte im Bereich bestehender Euroverbände organisatorische Veränderungen und die Aufstockung der Ressourcen. Sie führte aber vor allem zu einem zweiten großen Wachstumsschub des Eurolobbyismus in neuer Ausprägung: der Etablierung von Brüsseler Verbindungsbüros durch größere nationale Verbände und bislang nicht vertretene Körperschaften, wie dem Europabüro der deutschen kommunalen Selbstverwaltung (1990) sowie zahlreicher multinationaler Konzerne.
1.2 Europäische Verbändeformierung im Prozess der Integration
Zwischen der Entstehung und Entwicklung übernationaler Verbände und dem allgemeinen Integrationsprozess lässt sich historisch und funktional ein Grundmuster erkennen: Die Entstehung und Entwicklung transnationaler Verbände, dies gilt für Unternehmensverbände ebenso wie für Gewerkschaften und andere organisierte Gruppeninteressen, folgt primär politischen Integrationsvorgaben. Diese politische Determinierung lässt sich, wie gezeigt, entlang der europapolitischen Weichenstellungen vom Marshall-Plan über die EGKS- und EWG-Gründung, die EG-Erweiterungen bis zur Einheitlichen Europäischen Akte und dem Maastrichter und Amsterdamer Vertrag nachvollziehen. Die Verbände passen also ihre europäischen Organisationsstrukturen der jeweiligen Kompetenzausstattung und Entscheidungsweise der suprastaatlichen Ebene an.
Die grenzüberschreitende Verbandspolitik ist in der Regel funktional begrenzt, also auf die Regierungszusammenarbeit und supranationale Rechtsetzung in der jeweiligen Interessendomäne gerichtet. Dabei bleibt die Dominanz der nationalen Orientierung und Einbettung der Mitglieder eines Euroverbandes gewahrt. Die Internationalisierung der Märkte und die relative Dichte der ökonomischen und technologischen Verflechtungen im Zuge der europäischen Marktintegration spielen neben den institutionellen Determinanten eine gleichfalls wichtige, aber sekundäre Rolle. Die durch die Binnenmarktvollendung ausgelöste Wachstums- und Veränderungsdynamik europäischer Interessenvermittlung zeigt:
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