Europa nach dem Fall

paar Jahren wird der Großraum um Washington, D.C., und San Francisco auch dazugehören. Im Raum Washington sind die Vorstädte im nördlichen Virginia hauptsächlich von Latinos und Ostasiaten bevölkert, die nun die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe darstellen.
    Doch es gibt einen wichtigen Unterschied, insofern als die USA ein Einwanderungsland sind und gewöhnt an das Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen. New York, Washington und Los Angeles hatten in der Vergangenheit schwarze Bürgermeister oder haben sie gerade. Des Weiteren ist Amerika zwar nicht mehr unbedingt ein Schmelztiegel, aber die Vermischung ethnischer Gruppen findet weitaus häufiger statt, und im Großen und Ganzen möchte keine Gruppe anderen ihre religiösen Gesetze aufzwingen. Es gibt soziale Spannungen, aber niemand ruft zum Dschihad auf. Den ethnischen Amerikanern geht es darum, sich ein angenehmes Leben zu schaffen, und nicht darum, zu kämpfen, außer vielleicht Revierkämpfe unter Gangs und in der kriminellen Unterwelt.
    Es gibt zwar noch Ghettos in Amerika, aber es gibt auch gut verdienende Schwarze und Latinos, die aus den Ghettos wegziehen. Und die aus dem Fernen Osten Zugewanderten haben in wirtschaftlicher und bildungsmäßiger Hinsicht besser abgeschnitten als beinahe alle anderen Gruppen. Einwanderer aus muslimischen Ländern, meist gebildet und der Mittelschicht zuzurechnen, haben es ebenfalls weiter gebracht als ihre europäischen »Pendants«. Einigen Unterlagen zufolge haben es Zuwanderer aus Palästina am weitesten gebracht.
    Läuft der Trend in Europa in Richtung Desintegration? Die Behauptung wäre übertrieben, dass Einwanderer aus Pakistan und der Türkei, aus dem arabischen Osten und Nordafrika durch die Bank sozial und wirtschaftlich gescheitert wären. Obwohl es nur wenige verlässliche Statistiken gibt, wird berichtet, dass es im Vereinigten Königreich 5 400 muslimische Millionäre gibt. Auf der Liste der Dollarmilliardäre finden wir Michail Fridman, den Chef der Alfa Gruppe, Roman Abramowitsch, den Chef der Milhouse Capital Investment Company, aber auch Vagit Alekperow, den Chef von Lukoil (7,8 Milliarden Dollar), Iskander Machmudow von Kuzbas Öl (3,3), Suleiman Kerimow von der Sberbank (3,1) und den Eigentümer des FC Arsenal London, Alischer Usmanow von Orgasmetal (1,6). Es gibt reiche Türken in Deutschland und reiche Nordafrikaner in Frankreich.
    Eine kleine muslimische Mittelschicht entwickelt sich in Europa. Doch es trifft auch zu, dass einstweilen die Ghetto-Situation überwiegt, wie auch die Arbeitslosigkeit unter der jungen Generation und die Abhängigkeit von staatlichen und städtischen Almosen. Die muslimischen Religionsführer versuchen angestrengt, ihre Gemeinden zusammenzuhalten, doch das ist nur zu erreichen, wenn das Ghetto so bleibt, und nur, wenn es wenig bis gar keinen Kontakt zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen gibt. Die Jugendlichen werden schon von Kindheit an indoktriniert und viele von ihnen in Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien kennen nicht mehr von der Landessprache, als für den Alltagsgebrauch nötig ist.
    Bildungspolitiker, die mit der Erziehung junger Muslime vertraut sind, glauben, dass sich die Bemühungen auf die ganz jungen konzentrieren sollten, mit dem Ziel, ihnen die Beherrschung der Sprache und eine allgemeine Bildung zu vermitteln. Die jüngere Generation hat eine eigene Subkultur entwickelt, die sich zum Beispiel in ihren Songs und ihrer Sprache ausdrückt und manchmal von den weißen Altersgenossen nachgeahmt wird, die das cool finden. Auch wenn eine vertiefte Kenntnis der deutschen, französischen oder britischen Kultur von den meisten Bewerbern um die Staatsbürgerschaft nicht erwartet werden kann – sogar viele Einheimische würden bei einer solchen Prüfung durchfallen –, so ist es nur recht und billig, wenn eine grundlegende Kenntnis der Sprache wie auch der Gesetze und der Lebensart zur Vorbedingung für eine Staatsbürgerschaft gemacht werden.
    Gebiete, in denen die Muslime eine Mehrheit bilden werden, könnten Autonomie verlangen. Separatismus, die Forderung nach voller Unabhängigkeit, ist unwahrscheinlich, und sei es auch nur wegen der schlechten ökonomischen Lage dieser Gebiete. Muslime werden auf lokaler und regionaler Ebene die neuen Amtsträger sein, aber sie werden vom Staat erwarten, die Verantwortung für das soziale Wohlergehen der Bürger zu übernehmen. Vielleicht werden diese muslimischen Gesellschaften zu