Europa nach dem Fall
pakistanische Pop, angefangen mit Ahmed Rushdi, dem populärsten pakistanischen Sänger seiner Zeit, und anderen nach ihm überlebt und sich sogar in die benachbarten Länder ausgebreitet.
Der Koran sagt nichts über Straßengangs, doch dieses Phänomen (sowie der Bandenkrieg) spielt auf den muslimisch dominierten Straßen in Europa eine ziemlich wichtige Rolle und ist bislang nur unzureichend studiert worden. Straßengangs sind in vielen Gebieten der Welt zu beobachten gewesen, und zahlreiche Faktoren sind angeführt worden, um dieses Phänomen zu erklären, darunter dysfunktionale Familien, Persönlichkeitsmerkmale, menschliche Instinkte, Kindesmissbrauch, Verstädterung, Identitätspolitik und Erleben von Gewalt in der Kultur, in der die Betreffenden aufwuchsen. In vielen Gesellschaften hat es Generationenkonflikte gegeben, doch während er sich beispielsweise in Deutschland gegen den tyrannischen Vater und Lehrer richtete (die Jugendbewegung im 20. Jahrhundert), geht es in der islamischen Minderheit nun gegen »das Andere«. In den europäischen Muslim-Gemeinschaften haben die Gangs wohl ökonomische (Drogenhandel) wie auch psychologische Motive (Befriedigung durch Zurschaustellung von Machogehabe und den Schutz durch das Revier).
Diese Gangs sind gewöhnlich in der zweiten und dritten Generation der Einwanderer zu finden, und das hängt mit dem Rückzug des Staates zusammen, der in demokratischen Gesellschaften sein Machtmonopol eingebüßt hat. In autoritären Regimen wird mit Unruhestiftern ungeachtet von Alter und Geschlecht kurzer Prozess gemacht. In zeitgenössischen demokratischen Gesellschaften haben solche Menschen wenig zu fürchten. Der Polizei sind die Hände gebunden, wie auch den Lehrern in der Schule und den Richtern am Gericht. Übeltäter werden binnen Tagen, wenn nicht Stunden auf freien Fuß gesetzt, und schon allein ihre Verhaftung macht sie unter ihren Kameraden zu Helden.
Die Bandenbildung hatte in der Vergangenheit eine wichtige politische Dimension (zum Beispiel bei Latinos in Süd- und Nordamerika und bei den südafrikanischen Gangs in Soweto und anderswo), und das trifft auch heute noch zu. Aber bei der heutigen Gang-Ideologie ist zu fragen, wie viel davon Islamismus ist und wie viel Hip-Hop und Gangsta Rap. Aus zahlreichen Ländern wird berichtet, dass die jungen Verfechter der Scharia auch Drogen vertreiben und konsumieren, sich auf Sexpraktiken einlassen, die laut ihrer Religion überhaupt nicht statthaft sind, und beständig Rap-Musik hören, was ebenfalls dem strikten Islam zuwiderläuft. Einige Islamisten sind in missionarischer Mission zu den Gangs und in die Gefängnisse gegangen, aber auch die Gangs sind in die Moscheen eingedrungen, um neue Mitglieder anzuwerben. Es ist noch gar nicht klar, wer in diesem Wettstreit die Oberhand behalten wird.
Das alles betrifft überwiegend die jungen Männer, doch auch Mädchen haben sich an einigen dieser Aktivitäten beteiligt, insbesondere in der Schule. Das hat offenkundig mit dem Bedürfnis zu tun, sich Respekt zu verschaffen oder zumindest nicht als »Schlampe« (oder »putain« in der Banlieue) bei den männlichen Jugendlichen zu gelten, wenn sie bei einer Schlägerei lieber nicht eingreifen.
Junge britische und französische Muslime haben sich über das formalistische und freudlose Wesen ihrer Religion beschwert, über die endlose papageienhafte Wiederholung von Gebeten. Ein junger britischer Muslim sagte in einem Interview, das wahrscheinlich die Ansicht vieler seiner Altersgenossen wiedergab, dass ihre Religion zu viel von ihnen verlange. Sie würden gern das tun, was ihre nicht-gläubigen Freunde tun, Freunde bzw. Freundinnen haben, gelegentlich ins Kino gehen, fernsehen, Videospiele spielen und nicht in sozialer und kultureller Isolation leben.
Die Jugend wird sich nicht auf ideologische Diskussionen mit den Imamen einlassen; es ist viel wahrscheinlicher, dass sie sich still und leise davonstehlen oder ihre Religion aus Achtung vor Eltern und Verwandten auf ein Lippenbekenntnis beschränken wird. Der nächste Kulturkampf wird nicht zwischen Gläubigen und Ungläubigen stattfinden, sondern im Lager der Gläubigen, wo die Erosion des religiösen Glaubens nicht so sehr in offener Ablehnung, sondern eher verstohlen fortschreiten wird. Eine solche Erosion der religiösen Orthodoxie und des Fanatismus wird sicherlich nicht alle Muslime betreffen; es wird Fanatiker geben, die, wer weiß, ihre Militanz noch intensivieren
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