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Europa nach dem Fall

Titel: Europa nach dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Laqueur
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gegebener Zeit eine Elitegruppe von einzigartigen Unternehmern, Wissenschaftlern und Technologen hervorbringen, die Einsteins und Nobelpreisträger von morgen, die diesen Gesellschaften einen bedeutenden ökonomischen und kulturellen Anstoß geben. Doch derzeit ist noch nicht einmal der Beginn eines solchen Trends abzusehen.
    Es ist unwahrscheinlich, dass die Forderung nach Einführung des muslimischen religiösen Rechts, der Scharia, als das neue geltende Recht besonders laut erhoben werden wird. Jedenfalls werden Nicht-Muslimen Ausnahmen zugebilligt werden, obwohl andererseits schon jetzt deutsche und britische Gerichte in Zivilsachen Bestimmungen der Scharia akzeptiert haben. In einigen Kreisen (etwa des Vereinigten Königreichs) hat es Forderungen nach einer radikalen Islamisierung gegeben, doch darüber herrscht in der muslimischen Gemeinschaft keine Einigkeit.
    Sogar in Deutschland teilt sich die türkische Gemeinschaft auf in türkische Sunniten und bedeutende andere Minderheiten wie die Kurden (mindestens eine halbe Million) und die Alewiten. Kurden und Alewiten sind von den offiziellen türkischen und arabischen Organisationen in Verhandlungen mit den Behörden außen vor gelassen worden, doch das könnte sich in Zukunft wohl ändern. Es bestehen bedeutende Unterschiede zwischen dem Islam, wie er von Marokkanern und Türken in den Niederlanden und Belgien, von Pakistanern und Muslimen aus dem Nahen Osten in England, ja sogar von Algeriern und Marokkanern in Frankreich praktiziert wird. Die Liste ließe sich fortsetzen, und es hat auch Beschwerden gegeben, dass politische und religiöse Anführer aus einem Land (oder einer Sekte – zum Beispiel bei den Türken in Belgien und den Arabern in England) einen unverhältnismäßig großen Einfluss gewonnen haben im Verhältnis zur Größe der ethnischen Gruppe, der sie angehören. Es wird den muslimischen Gemeinschaften überlassen bleiben, einen gemeinsamen Nenner zu finden; es wird um Einfluss und Macht gerangelt werden, und das Ergebnis ist überhaupt nicht sicher.
    »Eurabien« gibt es nicht in Deutschland, Großbritannien oder anderen europäischen Staaten. Türken sind keine Araber und sind ihnen gegenüber nicht immer freundlich gesinnt. Der Bandenkrieg auf Berlins muslimischen Straßen zwischen türkischen, arabischen und kurdischen Heranwachsenden spiegelt keine besonders enge Verbundenheit zwischen diesen Gemeinschaften wider.
    Es ist auch keineswegs sicher, wie stark die Tendenz zu religiösem Fundamentalismus und Radikalismus in der Zukunft sein wird. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass er an Schwung verliert. Der Radikalismus der jungen Generation mag sich in religiösen Begriffen äußern, doch es ist zu bezweifeln, ob er hauptsächlich religiös inspiriert ist.
    Angesichts der Versuchungen der westlichen Gesellschaften ist so ein Erosionsprozess unausweichlich – die Frage ist nur, wie rasch er verlaufen wird. Immer mehr muslimische Intellektuelle distanzieren sich von einer Religion, die unter dem Einfluss radikaler Wortführer primitiver geworden ist und vor allem mit politischer Gewalt gegen unschuldige Zivilisten identifiziert wird. Unter Frauen, wie orthodox sie auch sein mögen, wächst die Forderung nach einem Islam, der ihnen mehr Rechte gewährt, als Fundamentalisten ihnen zu geben bereit sind.
    Über die jungen Männer hat ein anerkannter Berliner Imam gesagt, dass die Straße zur Moschee lang ist und die Versuchungen vielfältig sind. Das bezieht sich auf Drogen, Kriminalität, Sex und andere Verführungen des dekadenten Westens. Dekadenz ist anziehend und ansteckend. In England und Frankreich beteiligen sich junge Muslime nicht nur am Handel, sondern auch am Konsum von Drogen. Viele junge Muslime, die damit drohen, ihre Schwester zu verprügeln, wenn sie sich nicht züchtig mit einem Kopftuch bedeckt, sind westlicher Pornografie keineswegs abgeneigt. Den Angaben saudischer Behörden zufolge wollen 92 Prozent der 2,2 Millionen Internetnutzer im saudischen Königreich Zugang zu verbotenem oder unzüchtigem Material, was sich fast immer nicht auf atheistische Websites bezieht, sondern auf Pornografie ( Arab News vom 2. Oktober 2005).
    Solche Zahlen mögen im Vergleich mit anderen Ländern nicht unnatürlich hoch sein, wie die saudischen Behörden betont haben. Doch allein ihre Existenz verweist eindeutig auf die zutiefst ambivalente Haltung gegenüber dem Verbotenen aufseiten der jungen muslimischen Männer, weil das Verbotene erst recht

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