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Europa nach dem Fall

Titel: Europa nach dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Laqueur
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diesem Gebiet alles oder fast alles gut war und dass nur wenige Rechte und Islamophobe dies nicht hinnehmen wollten. Die deutsche politische Elite war gehörig überrascht, als sie erkannte, dass diese Meinung beileibe nicht von der großen Mehrheit der Bevölkerung geteilt wurde. Es bedurfte nur einer kleinen Provokation, um einen Sturm der Entrüstung zu entfachen. Was für Deutschland zutraf, galt praktisch auch für alle europäischen Länder, die Heimat größerer muslimischer Gemeinschaften geworden waren.
    War Sarrazins Buch tatsächlich so wenig hilfreich, wie Angela Merkel sagte? Sie hatte insofern recht, als er keine Lösungen anbot. Er hatte ein großes Problem in Deutschland analysiert und beschrieben; die muslimischen Migranten würden Deutschland nicht verlassen und konnten nicht ausgewiesen werden. Viele hatten die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Wie war unter diesen Umständen das Problem zu lösen oder wenigstens zu entschärfen, um die Lage zu verbessern? Der Schlüssel zu einer Lösung war Bildung, denn diejenigen, die keinen Schul- oder Berufsabschluss hatten, würden auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben. An diesem Punkt jedoch ergaben sich Schwierigkeiten – Eltern wollten ihre Kinder nicht zur Schule schicken, vor allem Mädchen, die lernbegieriger waren als Jungen; türkische Jungen benahmen sich rüpelhaft; deutsche Lehrer wollten nicht in Schulen bleiben, in denen sie verunglimpft und körperlich angegriffen wurden. Es wurde vorgeschlagen, dass Sanktionen wie etwa Geldstrafen gegen Eltern verhängt werden sollten, die ihre Kinder nicht zur Schule schickten.
    Wie ist mit Kindern umzugehen, die ganz und gar von einem tiefen, aggressiven Antiintellektualismus erfüllt sind? Wie ist gegen die Feindseligkeit gegenüber ihren eifrig und erfolgreich lernenden Klassenkameraden einzuschreiten? Eltern von muslimischen Schülerinnen haben sich beschwert, dass ihre Töchter in staatlichen Schulen den Musikunterricht besuchen mussten, der einer mohammedanischen Überlieferung nach streng verboten ist. Eine Englischlehrerin in einer überwiegend von Muslimen besuchten Schule wurde entlassen (und ging daher vor Gericht), weil sie mit einem Lehrplan nicht einverstanden war, der antichristliche und antijüdische Propaganda enthielt. Den Kindern in einigen von Islamisten geleiteten Schulen wurde auch gelehrt, dass die Attentäter vom 11. September in New York und Washington große Helden seien.
    Kein Wunder, dass die Kinder verwirrt sind, wenn ihnen zu Hause erzählt wird, dass Christen und Juden Feinde und Teufel sind, wohingegen ihnen in den staatlichen Schulen beigebracht wird, dass sie selbst die Terroristen sind. In anderen Schulen im Vereinigten Königreich wurde nicht-muslimischen Lehrkräften eingeschärft, muslimische Schüler nicht anzufassen, weil diese alle Ungläubigen als unrein erachteten. Hatten Schulbehörden das Recht, die Glaubenssätze und Empfindlichkeiten, die muslimischen Schülern zu Hause und über das türkische und arabische Fernsehen beigebracht wurden, zu ignorieren? Die französischen Bildungseinrichtungen haben insgesamt eine viel weniger liberale Linie verfolgt als die deutschen und britischen.
    Eine weitere Angelegenheit, die zu einem erheblichen Streitpunkt in Europa wurde, war das Verbot der Burka. Dieses Kleidungsstück, das von den Taliban eingeführt wurde, bedeckt den ganzen Körper einer Frau, so wie der Niqab, der Gesichtsschleier, nur einen Schlitz für die Augen offen lässt. Der Hidschab hingegen ist ein Kopftuch. Diese Kopfbedeckung ist in jedem muslimischen Laden in London oder anderen größeren europäischen Städten für ein paar Euro zu haben. Elegantere Ausführungen sind in modischeren Läden für Hunderte von Euro erhältlich. Diese Kleidungsstücke, ausgenommen den Hidschab, den es in vielen Ausführungen gibt (darunter eine festliche Version mit gesticktem Muster), waren bis vor wenigen Jahren in Europa praktisch unbekannt. Sie waren auch in den meisten muslimischen Ländern praktisch unbekannt, einfach, weil sie die Arbeit der Frauen behinderten. Der Hidschab war bis vor Kurzem in gewissen muslimischen Ländern wie der Türkei und Tunesien, zu manchen Zeiten sogar in Ägypten, verboten. Die Burka ist in syrischen Schulen und Universitäten verboten. In Afghanistan wurden die Städterinnen 1927 unter König Amanullah die Verschleierung los, in Persien, heute Iran, geschah dies 1936 unter Schah Reza. In Malaysia war es Staatsbediensteten

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