Europa nach dem Fall
wirtschaftlicher Depression steht, könnte der Kontinent seine Anziehungskraft auf Einwanderer, legale oder illegale, einbüßen. Könnte es eventuell zu einem muslimischen Exodus aus Europa kommen? In einer Zeit spürbarer Arbeitslosigkeit wird es weniger Arbeitsplätze und weniger Bewilligungen von Sozialhilfe geben. Doch dieser Exodus erscheint aus einer Reihe von Gründen unwahrscheinlich. Es gibt, wie schon erwähnt, einen Exodus türkischer Universitätsabsolventen aus Europa, weil sich ihnen derzeit mehr freie Stellen in der Türkei bieten. Doch das betrifft nur ein paar Tausend. Selbst wenn die wirtschaftliche Situation in Europa in der Zukunft düster ist, wird sie in den Ländern des Nahen Ostens sowie Nord- und Westafrikas noch trüber sein, von woher die meisten der Einwanderer wahrscheinlich kommen werden. Sie werden nicht in die sich rasch entwickelnden Länder wie China und Indien gehen, denn dort werden ausländische Arbeitnehmer nicht akzeptiert, geschweige denn ihre Angehörigen. Selbst die arabischen Golfstaaten, die in der Vergangenheit Arbeitskräfte brauchten, haben in den letzten Jahren viele von ihnen ausgewiesen.
Die einzige Ausnahme ist Russland gewesen. Putin verkündete 2010, dass Russland in den kommenden Jahren zehn bis zwanzig Millionen ausländische Arbeitskräfte aufnehmen wird. Doch er bezog sich wahrscheinlich auf gut ausgebildete Arbeitskräfte aus Zentralasien mit Russischkenntnissen. Es ist zweifelhaft, ob Russland tatsächlich so viele brauchen wird, und angesichts der wachsenden russischen Ausländerfeindlichkeit wird es zu politischem Widerstand kommen, der sich nicht so leicht überwinden lassen wird. Der gegen Minderheiten gerichtete Aufruhr vom Dezember 2010 in Moskau und anderen russischen Städten wird die russischen Behörden noch einmal darüber nachdenken lassen, wie weit sie ihre Tore öffnen, selbst wenn es einen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften gibt, weil die Zahl der Russen im arbeitsfähigen Alter abnehmen wird.
Das Problem der Islamophobie wird anderswo auf diesen Seiten zur Sprache kommen. Es ist dies größtenteils ein propagandistischer Begriff, der aus Gründen verwendet wird, die kaum diskutiert zu werden brauchen. Manchmal wird er böswillig, dann wieder in gutem Glauben verwendet. Es hat selbstverständlich Missetäter gegeben wie den Pastor aus Florida, der öffentlich den Koran verbrannt hat, oder den wahnsinnigen Deutschrussen, der in einem Gerichtssaal in Sachsen eine muslimische Frau erstach. In den 1970er-Jahren gab es in London das Paki bashing , Angriffe auf einzelne junge Pakistaner. Doch das sind wenige Fälle, verglichen mit der Gewalt, die junge muslimische Einwanderer gegen Juden und andere Nichtgläubige selbst in traditionell toleranten Ländern wie Schweden und in Teilen von Frankreich, Belgien und den Niederlanden ausgeübt haben.
Insgesamt haben die Europäer dem Islam gegenüber eher Gleichgültigkeit als Feindseligkeit bekundet. Eine deutsche Studie, die von einem sozialdemokratischen Forschungszentrum in Auftrag gegeben wurde, zeigte, dass etwa 60 Prozent aller Deutschen die Ausübung des Islam in ihrem Land beschränken wollten. Doch bei näherer Betrachtung erweist sich, dass sich solche negativen Gefühle auf Fälle bezogen, bei denen eine solche Ausübung in aggressiver Weise erfolgte und sich auf den Rest der Bevölkerung schädigend auswirkte. Dieselbe Studie präsentierte die zweifelhafte These, dass solche Meinungen überwiegend von der politischen Mitte gefördert wurden, die zunehmend zu extrem rechtsgerichteten und neofaschistischen Ansichten neigte. Weniger politisch motivierte Studien neigen zu der Ansicht, dass in dem Maß, wie diese Aversionen existierten, sie nicht in einer bestimmten Schicht oder politischen Partei vorherrschen, sondern in allen Bereichen des sozialen und politischen Spektrums zu finden sind, wenngleich in der einheimischen Arbeiterschicht etwas prononcierter, weil diese mehr als der Rest der Bevölkerung dem Zustrom von Einwanderern ausgesetzt war. Andere Studien, im Dezember 2010 von Le Monde präsentiert, berichteten, dass 42 Prozent der Franzosen und 40 Prozent der Deutschen das Vorhandensein muslimischer Gemeinschaften in ihrer Mitte als Bedrohung empfanden. 22 Prozent und 24 Prozent dagegen betrachteten ihr Vorhandensein als eine kulturelle Bereicherung.
Bedrohungen existieren eindeutig. Es besteht die Gefahr, dass die Islamophobie enorm zunehmen wird, sollten sich terroristische
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