Europa nach dem Fall
160 bis 170 Millionen liegen. Andererseits wird die Zahl älterer und alter Menschen in der Zukunft beträchtlich höher als derzeit sein. Das wird zwangsläufig zu größeren sozialen Problemen führen, doch in Anbetracht der technologischen Entwicklung lässt sich nicht vorhersagen, wie viele Menschen im arbeitsfähigen Alter gebraucht werden, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Es kann als sicher gelten, dass die Zahl der im Dienstleistungssektor Beschäftigten zumindest gleich bleiben und wahrscheinlich sogar anwachsen muss, um eine Grundversorgung zu gewährleisten.
Einem Szenario zufolge, das in einem Bericht der UNO mit dem Titel Replacement Migration veröffentlicht wurde, werden für den Zeitraum zwischen 1995 und 2050 nicht weniger als 700 Millionen Einwanderer nach Europa benötigt, um die Altersstruktur auszugleichen und Industrie und Dienstleistungen aufrechtzuerhalten. Aber solche Zahlen gehören ins Reich der Phantasie, weil überhaupt nicht bekannt ist, wie viele Arbeiter gebraucht werden oder woher sie kommen werden. Indien und China altern auch, und selbst in Bangladesch nehmen die Geburten ab. Derzeit hat Europa mit der Arbeitslosigkeit unter jungen Einwanderern zu kämpfen, von denen viele nicht über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um sich in die Arbeitswelt einzugliedern.
Es ist nicht wahrscheinlich, dass Europa zu Ende des Jahrhunderts muslimisch sein wird. Muslime könnten die Mehrheit in einigen Städten und Provinzen bilden, und es versteht sich von selbst, dass das muslimische Element in der europäischen Politik und Gesellschaft eine weitaus größere Rolle als bisher spielen wird. Doch viele der Neueinwanderer nach Europa sind überhaupt keine Muslime – sie kommen aus Indien und Südostasien, Westafrika, Westindien und anderen Teilen der Welt. Diesen Punkt werde ich später noch ausführlich behandeln. Während es zutrifft, dass viele muslimische Einwanderer sich der Eingliederung und Integration widersetzt haben, ist es hingegen nicht sicher, dass dies sich mit gleicher Intensität in zukünftigen Generationen fortsetzt.
Russland ist eines der Länder, dessen ethnische Zusammensetzung sich aufgrund von Einwanderung wahrscheinlich stark verändern wird. Es hatte 2005 148 Millionen Einwohner, darunter 15 Millionen Einwanderer. Ohne erhebliche weitere Zuwanderung in den kommenden Jahren wird die Bevölkerung bis 2050 auf etwa 110 Millionen zurückgegangen sein. Wladimir Putin sieht für die nahe Zukunft die Einwanderung von mehreren Millionen Menschen nach Russland vor. Doch sie könnten nur aus China und den muslimischen Staaten Zentralasiens und des Vorderen Orients kommen, da Menschen aus anderen Ländern nie gekommen sind und es auch jetzt nicht wollen. Das dürfte aus offenkundigen politischen Gründen nicht ratsam erscheinen.
Es gibt aber auch nicht messbare Faktoren. Innerhalb von ein oder zwei Generationen könnte die Institution der Familie noch weiter geschwächt werden; in Deutschland setzte der starke Schwund mit der Generation der 68er ein. Die Frankfurter Schule, welche die Funktion der Familie aus sozialer und wirtschaftlicher Sicht herabgewürdigt hat, lieferte die ideologische Grundlage. Doch die Familie erodierte auch in Gesellschaften, die von der Existenz der »Kritischen Theorie« kaum etwas wussten. Ein prominenter Volkswirtschaftler sagte, dass der »homo oeconomicus« keine Kinder haben wird. Was sind die Konsequenzen, wenn junge Menschen feststellen, dass mit dem Verschwinden der Familie ihre Eltern ihre einzigen Verwandten sind? Es wird eine einsamere und traurigere Welt sein.
Zwei Fragen sollten in aller Kürze noch beantwortet werden. Könnten die Prognosen falsch sein? Und ist es möglich, diese Trends umzukehren, wenn das für erstrebenswert gehalten wird?
Die historische Erfahrung zeigt eher, dass eine »Geburtenpolitik« nicht sehr erfolgreich ist, zumindest nicht auf lange Sicht. Unter Hitler, Mussolini und Stalin wurden größere Familien von den Propagandamaschinen dieser Regime sehr stark angepriesen und großen Familien Anreize versprochen und gegeben. Doch das beeinflusste den langfristigen Trend der Geburtenrate nicht. Die kommunistische DDR bot eine breite Palette an Dienstleistungen für arbeitende Mütter, und viele beklagten sich nach der Wiedervereinigung, dass zahlreiche dieser Dienste eingestellt wurden. Doch das hatte keine dauerhafte Auswirkung auf die Geburtenrate. Demokratische Gesellschaften wie Frankreich und Schweden
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