Europa nach dem Fall
werden, darunter womöglich sogar Äthiopien. Der Jemen, der nach Aussagen Paul Demenys 1950 vier Millionen Bewohner hatte, hat nun etwa 24 Millionen und wird bei der derzeitigen Reproduktionsrate den Prognosen zufolge mehr als 100 Millionen erreichen. Zur gleichen Zeit wird die Bevölkerung Russlands jährlich um zwei Prozent schrumpfen, was in 50 Jahren einen Rückgang auf ein Drittel der derzeitigen Größe zur Folge haben wird. Nach Demenys Worten hat es in der Geschichte noch keinen so steilen demografischen Abfall gegeben.
Solche Prognosen wird der gesunde Menschenverstand schwer verdauen können, und das aus gutem Grund – nicht so sehr was den Bevölkerungsrückgang in Russland betrifft, wohl aber was das Wachstum im Jemen angeht. Der Jemen ist ein armes Land, weil ein Großteil seiner Fläche aus Wüste besteht (nur drei Prozent des Landes sind landwirtschaftlich nutzbar) und es wenig Wasser gibt. Die Aussichten für die Landwirtschaft sind begrenzt, und obwohl zweifellos eine gewisse Industrialisierung stattfinden wird, spricht der Gedanke, dass die jemenitische Wirtschaft eine Bevölkerung von mehr als 100 Millionen ernähren könnte, der schillerndsten Phantasie Hohn. Die Bevölkerung des Jemen (und anderer Länder in ähnlicher Lage) wird daher weniger wachsen, weil es weder Arbeit noch Nahrungsmittel geben wird. Das lässt sich auch für Ägypten sagen. Doch zur gleichen Zeit scheint es sicher, dass selbst bei einem dramatischen Rückgang der jemenitischen Fruchtbarkeitsrate die Bevölkerung diese Landes immer noch beträchtlich zunehmen wird und viele sich nach Arbeitsmöglichkeiten in anderen Ländern umschauen werden, was zu einem größeren Bevölkerungsdruck auf Europa führen wird. Für glücklichere Länder wie die Türkei erscheinen die Prognosen für 2050 und darüber hinaus ziemlich realistisch. Gleichfalls realistisch erscheint, dass Europas Anteil an der Weltbevölkerung 2050, also noch zu Lebzeiten vieler Zeitgenossen, nicht mehr als fünf bis sieben Prozent betragen wird. 1900 betrug er 25 Prozent, und 1950 12 Prozent.
Die gleichen Überlegungen gelten für Prognosen über das Jahr 2100 hinaus. Nach Schätzungen der UNO für das Jahr 2300 wird die Bevölkerung Europas auf bloße 59 Millionen gesunken sein. Viele europäische Länder werden nur noch fünf Prozent ihrer derzeitigen Bevölkerung haben; Russland und Italien sogar nur noch ein Prozent, weniger als die derzeitige Einwohnerschaft von Nowosibirsk und Turin. Solche Prognosen können wir nicht außer Acht lassen, doch bei so langfristigen Perspektiven lassen sich wissenschaftliche und technologische Entwicklungen überhaupt nicht abschätzen. Wir wissen nicht, welche Fortschritte die Medizin machen wird und wie lange die Menschen in 200 Jahren leben werden (aktuell steigt die Lebenserwartung jährlich um zwei bis drei Monate). Andererseits können Pandemien, Kriege und Naturkatastrophen unberechenbare Auswirkungen haben. Wir wissen auch nicht, welchen Einfluss künftige Technologien auf die Arbeitsproduktivität haben werden und was wir an menschlicher Arbeitskraft brauchen werden, um die Wirtschaft in Gang zu halten. Es könnten neue Ideologien oder Religionen auftauchen, die Wachstum wie Rückgang der Bevölkerung beeinflussen können.
Einige haben argumentiert, dass Europa, wenn es in 200 Jahren noch ein Kontinent von Bedeutung sein will, nahezu sicher ein schwarzer oder brauner Kontinent sein wird. Andere haben vorausgesagt, dass Europa zu Ende des 21. Jahrhunderts islamisch sein wird. Solche Voraussagen fußen einerseits auf der höheren Geburtenrate in Afrika und im Nahen Osten, andererseits auf dem Bedarf an massiver Einwanderung nach Europa. Doch da auch die Geburtenrate der Einwanderer nach Europa spürbar abnimmt, dürfte der Wandel in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung wohl langsamer vorangehen, als bis vor Kurzem angenommen. Die meisten Prognosen scheinen darin übereinzustimmen, dass die Zahl der Muslime weltweit doppelt so schnell wie die der Nicht-Muslime anwachsen und sich dann angleichen wird.
Derzeit zählt Europa etwa 317 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter (zwischen 15 und 65). Wenn es keine Einwanderung nach Europa gibt, wird diese Zahl bis 2050 auf 229 Millionen sinken. Diese Schätzung könnte aber zu hoch sein, weil nicht alle Mitglieder dieser Altersgruppe tatsächlich arbeiten oder aus vielfältigen Gründen nicht arbeiten können, daher könnte die tatsächliche Zahl näher bei
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