Europa nach dem Fall
ergriffen Maßnahmen, welche die finanzielle Belastung durch Kinder verringern sollten, dazu gehörten eine großzügige Elternzeit vor und nach der Geburt, eine geringere Besteuerung, Elterngeld und verschiedene andere Anreize, darunter auch die Möglichkeit, nur in Teilzeit zu arbeiten. Einige haben angeregt, wenn zwei Personen mit ansonsten gleichwertigen Voraussetzungen sich für dieselbe Stelle bewerben, dann sollte einer Mutter der Vorzug vor einer kinderlosen Frau gegeben werden. Insgesamt gab Schweden zehnmal mehr für solche Anreize aus als Staaten wie Italien und Spanien. Doch nach einem kurzlebigen Aufschwung nahm die Zahl der Geburten wieder ab. Ein Konjunkturtief wurde dafür verantwortlich gemacht. Doch in Italien, wo die Geburtenrate noch stärker abnahm, musste die gute Konjunktur als Ursache für den Rückgang herhalten. Kurzum, Schweden (und auch Frankreich, das eine Vielfalt an Anreizen bot) kann nicht als Beispiel dienen. Es ließe sich höchstens sagen, dass die Geburtenrate ohne diese Maßnahmen noch mehr zurückgegangen wäre.
In den kommenden Jahren wird die europäische Geburtenrate kleinere Hochs und Tiefs erleben, doch der grundlegende Trend zeigt nach unten. Obwohl eine radikale Umkehrung immer denkbar ist, fällt es schwer, sich Gründe dafür vorzustellen.
Mit ziemlicher Gewissheit lässt sich vorhersagen, dass der Rückgang sich in absehbarer Zukunft fortsetzen wird. Wenn es mehr Todesfälle als Geburten gibt, wird eine ganze Generation fehlen, die Kinder hätte zeugen können. Im Großen und Ganzen sind die Prognosen der Demografen bis auf eine kleine Fehlertoleranz zutreffend gewesen.
Demografische Werte – Schicksal oder falscher Alarm?
Bis vor Kurzem fand das Nachdenken über die Zukunft Europas – politisch, sozial, wirtschaftlich oder kulturell – unter Ausschluss demografischer Werte statt. Das ist manchmal auch heute noch so. Einige marxistische, aber auch konservative Autoren, die sich zur Zukunft äußern, scheinen zu glauben, dass Europa in der nächsten Generation mehr oder weniger das gleiche Europa wie das gegenwärtige oder wie das vor einer Generation sein wird. Der Besuch einer Schule könnte da korrigierend wirken, doch wenige Politiker, Soziologen oder Philosophen neigen dazu, Schulen zu besuchen, geschweige denn Kindergärten.
Wenige Länder in Europa sind je ethnisch homogen gewesen, doch die Minderheiten innerhalb ihrer Grenzen waren nicht so unterschiedlich in Aussehen, Mentalität und Herkunft; sie waren nicht von fernen Ländern oder gar Kontinenten gekommen. Die Einwanderung von Polen vorwiegend ins Ruhrgebiet oder nach Nordfrankreich oder von Juden aus Osteuropa vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich in einem relativ bescheidenen Rahmen gehalten. Dazu waren diese Neubürger auch noch begierig gewesen, die Werte und die Lebensweise ihrer neuen Heimatländer zu übernehmen. Ziemlich oft änderten sie sogar ihre Namen, um ihre Eingliederung zu erleichtern.
Die Einwanderung in großem Umfang nach dem Zweiten Weltkrieg war das Ergebnis politisch-territorialer Veränderungen, etwa die Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Südosteuropa, und dann, zehn Jahre später, das Ergebnis von Europas »Wirtschaftswunder«, in dem Europa aufblühte und zusätzliche Arbeitskräfte brauchte. Die Neubürger kamen hauptsächlich aus dem europäischen Raum, Italiener und Jugoslawen gingen nach Deutschland, Spanier und Portugiesen nach Frankreich. Die große Mehrheit blieb nicht, sondern kehrte in ihre Ursprungsländer zurück, als sich die wirtschaftliche Lage dort verbesserte. Während dieser Zeit rekrutierten die größeren Staaten Europas Arbeitskräfte im Ausland, damit diese die Tätigkeiten verrichteten, die Einheimische nicht mehr erledigen wollten oder konnten.
Die nächste Einwanderungswelle resultierte vorwiegend aus der Auflösung der Kolonialreiche – Westinder, Pakistaner und Inder gingen nach England. Inder, die von Idi Amin aus Uganda vertrieben wurden, siedelten sich auch im Vereinigten Königreich an, während Nordafrikaner nach Frankreich emigrierten. Es gab auch einen Zustrom von Türken, vorwiegend nach Deutschland und in geringerem Maß nach anderen europäischen Ländern wie Österreich und Belgien. Doch es wurde allgemein angenommen, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handelte, dass diese Gastarbeiter (wie sie genannt wurden) in ihre Heimatländer zurückkehren würden, nachdem sie genügend Geld verdient hatten, um sich in ihren
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