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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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er, dabei den Tod zu finden. In der ersten Nacht mit Elena entschuldigte er sich bei ihr und warnte sie, mit verschämtem Lächeln (sein Leben lang merkte er nicht, dass sein verschämtes Lächeln das Gleiche war wie sein fröhliches Lächeln, sein Lächeln für Journalisten und Premieren), dass er vielleicht kein
richtiger Mann mehr war; er hatte große Angst, aber bei ihr fiel ihm alles wieder leicht; nicht nur ein, sondern zwei und drei Mal, und es war nicht nur köstlich, sondern vom ersten Mal an auch liebevoll; so sentimental es auch klingt, wenn man über solche Dinge spricht, die körperliche Liebe war nie romantischer für ihn gewesen, besonders wenn sie auf ihm saß, nicht grob und rücksichtslos wie viele andere Frauen (nicht, dass ihm das nicht auch gefallen hätte), sondern wenn sie ihn hochkonzentriert und hochelegant ganz langsam ritt, so dass er es kaum aushalten konnte, und ihn dabei anblickte, ihn manchmal aufreizte und sich manchmal ganz auf ihren eigenen Genuss konzentrierte, sich Zeit ließ, gelegentlich innehielt oder sich kaum noch bewegte, ihn ganz bewusst umklammerte und umschloss, während sein Begehren und seine sexuelle Anspannung aufstiegen wie der Rauch aus ihrer halb ausgedrückten Zigarette im Aschenbecher hinter ihnen. Selbst wenn sie von ihrem Orgasmus gepackt wurde, ritt sie ihn nicht viel schneller, aber im letzten Augenblick warf sie den Kopf zurück und riss den Mund auf zu einem schrillen Schrei.
    Wenn sie unten lag, hielt sie sich gern am Kopfende fest, wenn sie kam, oder streckte manchmal einfach nur beide Hände über den Kopf. Als sie ein paar Monate lang zusammen waren, fing sie an, sich vor dem Höhepunkt das Handgelenk über die Augen zu legen. Zuerst dachte er sich nichts dabei. Aber dann lag das Handgelenk vor ihrem Gesicht, wann immer er versuchte, sie zu küssen.
    Eines Morgens lagen sie wach beieinander, und er drehte sich zu ihr und begann, sie zu küssen, aber sie drehte den Kopf weg. Er habe Mundgeruch, sagte sie. Er war verletzt, sagte aber nichts.
    Danach fiel ihm auf, dass sie fast immer das Gesicht wegdrehte, wenn sie miteinander schliefen und er sie küssen wollte, oder ihre Hand tauchte zwischen ihren Gesichtern auf und hielt ihn ein wenig auf Distanz. Vielleicht lag es an seinem Bart. Einmal sagte sie beim Frühstück, sie finde, Schnurrbärte ließen Männer dumm aussehen, also rasierte er sich den Schnurrbart ab, aber als sie an jenem Abend miteinander schliefen, war die Hand wieder da und schob ihm ganz sanft den Kopf weg, also küsste er ihr nur die Finger. Manchmal, wenn sie oben lag, küsste sie ihn noch, nie so innig, wie er es gern gehabt hätte, nie wie früher. Er gewöhnte sich an, in diesen Augenblicken passiv zu bleiben und ihr zu erlauben, ihm zart und oberflächlich die Lippen halb anzuknab
bern, halb abzulecken, wie sie es gern hatte; er wollte sie nicht verschrecken.
    Es war nicht so, dass sie sich von ihm zurückzog oder nicht wollte, dass er sie sah, jedenfalls nicht direkt. Auf ihre Weise war sie sogar eine kleine Exhibitionistin. Sie liebte sich und liebte sich nicht. Sie ließ sich gern von ihm nackt fotografieren, aber wenn sie sich die Pose aussuchte, legte sie sich auf den Bauch, wandte den Kopf ab und bot ihre Pobacken dar. Hätte er eine solche Aufnahme einer Fremden gesehen, er hätte gedacht: Das ist ein Mensch, der nicht fotografiert werden möchte. Dabei hatte sie ihn gebeten, sie zu fotografieren.
    12
    Das war der Haken an der Sache; so hätte er die Geschichte in seinem eigenen Wochenschaubericht über sein Leben erzählt: Zuerst quiekte sie wie eine Maus, wenn sie kam, dann grunzte sie, und am Ende kam überhaupt kein Laut mehr!
    Er sagte, er fühle sich ihr tief verbunden, wenn sie miteinander schliefen, von Seele zu Seele, und sie blickte ihn schweigend an.
    Ist das für dich anders, Elena?
    Ich möchte dir nicht wehtun.
    Das hackte ihm das Selbstvertrauen ab, und danach bedankte er sich jedes Mal ganz weinerlich bei ihr, wenn sie mit ihm geschlafen hatte. – Du musst dich nicht bedanken, flüsterte sie traurig.
    Ich liebe dich, sagte er.
    Ich liebe dich auch, ich liebe dich sehr.
    Ich brauche dich.
    Nein, das tust du nicht!, schrie sie in Panik. Du hast es nicht nötig, jemanden zu brauchen. Du liebst mich. Das genügt. Ich bin glücklich, wenn ich mir vorstelle, dass du stark bist, dass du allein nach Spanien oder China reist, selbständig. Deshalb bist du mein Held.
    Und dann stützte sie sich auf einen Ellenbogen

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