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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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so zu leben, sagte Elena. Ich habe Fortschritte gemacht. Ich bin nicht mehr so. Darauf bin ich stolz. Und du willst, dass ich wieder damit anfange. Tut mir leid, Roman, aber ich werde nie, nie wieder damit anfangen.
    15
    Auf dem Schreibtisch seiner Frau sah er einen geöffneten Umschlag von Wera Iwanowa. Er verspürte das Kribbeln eifersüchtigen Misstrauens. Er wollte den Brief um alles in der Welt lesen und wissen, ob Wera und Elena ihre sexuelle Beziehung aufrechterhalten hatten. Er nahm den Umschlag sogar in die Hand. Dann sagte er sich: Mein Gott, was tue ich da? Liebe ich sie denn nicht? Vertraue ich ihr nicht?
    Elena, sagte er an jenem Abend beim Essen, hast du etwas von deiner Freundin Wera gehört?
    Elena zündete sich eine Zigarette an und sagte: Ja, sie hat mich sogar zu einem Fest eingeladen, aber ich glaube, ich gehe nicht hin. Ich bin müde.
    Er glaubte ihr; nun war er zufrieden; er wechselte das Thema.
    16
    Jedes Mal, wenn er sie anflehte, wenigstens ein Mal zu sagen, er sei der Richtige für sie, bekam Elena einen Wutanfall. Sie wollte sich nicht mit einer Nadel aufspießen lassen wie ein Schmetterling! Immer wieder sagte sie: Was, wenn du dich irgendwann in ein Ungeheuer verwandelst?
    Du bist die einzige Frau, mit der ich je zusammen war, die nicht sagen will, dass ich der Richtige für sie bin.
    Vielleicht bin ich die Einzige, die ehrlich ist, gab Elena zurück.
    17
    Ich weiß, es ist unfair, flüsterte sie sanft. Ich weiß, ich bin selbstsüchtig. Vergib mir …
    In seinem Inneren explodierten Liebe, Qual und ein seltsam erotischer Schmerz. Sie sagte diese Worte so oft, und jedes Mal ging es ihm wieder genauso.
    Ich weiß, es ist ein wenig einseitig, flüsterte Elena. Es tut mir leid …
    Ich weiß, es ist schwer, sagte Elena sanft.
    Ich spüre, dass du traurig bist, sagte Elena mit wunderbar tröstender Stimme. Aber ich weiß, du bist stark.
    Und Karmen, leidend, sehnte sich nach dem nächsten Mal, da er mit Elena sprechen und sie ihn zurückweisen würde.
    18
    Ein gewisser Genosse Alexandrow, derselbe, der sie zusammengebracht hatte, nahm ihn eines Tages beiseite und erklärte: Ich sage es ohne Umschweife, Roman Lasarewitsch. Nun, vielleicht sollte ich es Ihnen besser nicht erzählen. Es ist ein Geheimnis. Wollen Sie es wissen oder nicht?
    Was für ein Geheimnis?
    Es geht um Elena Jewsejewna. Sie sollten sie verlassen. Verzeihen Sie, dass ich das sage.
    Wie meinen Sie das?
    Sie müssen versprechen, dass Sie es für sich behalten. Sie dürfen es ihr nicht verraten. Versprochen?
    Versprochen, sagte Karmen wie betäubt.
    Am Konservatorium gibt es ein gewisses Individuum, das – hören Sie, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber im November wurde Ihre Frau mit ihm auf einer Party gesehen. Sie hat ihn gar nicht wieder losgelassen, Roman Lasarewitsch! Es tut mir wirklich leid.
    Ah ja.
    Und dann haben wir sie wieder zusammen gesehen, letzten Monat, beim Trinken. Wissen Sie, Ihre Frau hat, wie soll ich sagen, so einen Blick. Das ist nicht abwertend gemeint; sie ist eben so; so sieht es jedenfalls aus, und das ist eine charmante, einnehmende Eigenschaft, besonders bei einer hübschen, jungen Frau wie ihr. Also neigten wir zuerst dazu, einfach anzunehmen …
    Wir? Wer sind die anderen?
    Darum geht es nicht. Jedenfalls, wir haben sie beobachtet, und leider war mehr an der Sache. Die Art, wie sie ihn küsste, und ihre Hände waren …
    Ich verstehe.
    Aber Sie dürfen mich ihr gegenüber nicht verraten.
    Darf ich fragen warum?
    Ich muss an meine Karriere denken. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.
    Na gut, aber was kann ich dann tun?
    Lassen Sie sich von ihr scheiden. Das können Sie tun.
    Aber das ist unfair!, schrie Karmen. Sie kann ihren Anschuldiger nicht zur Rede stellen, sie darf nicht wissen, warum ich sie verlassen soll; sie kann diese Anschuldigungen nicht widerlegen …
    Wollen Sie den Namen des Mannes?
    Ich …
    Es handelt sich um einen gewissen Komponisten. Bei jenem ersten Mal, im vergangenen November, konnte sie die Finger nicht von ihm lassen, bis er sich schließlich von der Party verabschieden musste. Eine hässliche Geschichte, ich weiß. Er war außer sich; er beklagte sich bei einem Freund über sie, der es mir erzählte; der Freund sollte es für sich behalten, weil, nun ja, er eine Empfehlung von Elena braucht. Deshalb darf sein Name nicht erwähnt werden. Glauben Sie mir?
    Karmen saß da und rührte sich nicht. Schließlich sagte er: Natürlich glaube ich Ihnen, Genosse

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